Die Tugend Nr. 4: Gerechtigkeit


51. Wochentipp – Thema
Einfach so – (zeitlos) so einfach

Die tragenden Früchte der Gerechtigkeit:
Seelenfrieden, Eigenliebe, Frieden, Aufmerksamkeit, Menschlichkeit,
Anteilnahme, Rechtschaffenheit, Charakterstärke, Aufrichtigkeit
=
Gerechtigkeit mit Nächstenliebe

Carl Larsson 1853-1919

Gerechtigkeit: Ein Pulli aus Elastan.
© Torsten Marold (*1962), dt. Spieleautor

denn

Gerechtigkeit bekommt nicht immer Recht!
© Helga Schäferling (*1957), deutsche Sozialpädagogin

aber

Gerechtigkeit ist schwerer als Hingebung und Liebe.
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 – 1900), deutscher Philosoph, Essayist, Lyriker und Schriftsteller,
Quelle: Nietzsche, Nachgelassene Fragmente. Ende 1876 – Sommer 1877

– Es ist, wie es ist – alles ist eine Frage der persönlichen Interpretation, denn Gerechtigkeit hin oder her, die Zeit rennt und ist das gerecht?

Advent, Advent,
ein Lichtlein brennt. 
Erst eins, dann zwei, 
dann drei, dann vier,
dann steht das Christkind vor der Tür.

Schau hier – schau da,
da kommt noch rasch ein Beiwerk mit anbei:
Und wenn die fünfte Kerze brennt,
dann hast du Weihnachten verpennt!

Es ist vollbracht – der vorletzte, aufreizende 51. Wochentipp in diesem bewegten Jahr, voll der letzten weltlichen Kardinaltugend – der Gerechtigkeit.

Eine kurze Belebung der vier weltlichen Kardinaltugenden:

Immerhin wurde durch Platons überlieferte moralische Darstellungen die gesamte europäische Kultur maßgebend beeinflusst.
Weiterentwickelt von Aristoteles und die griechische Stoa (Philosophenschule), übernommen von den Römern Cicero und Seneca in deren Stoa, haben die Tugenden schließlich durch Thomas von Aquin (1225-1274) auch Eingang in die christliche Philosophie gefunden.

Temperantia – die Mäßigkeit / die Besonnenheit
https://berlinspirit.de/der-maessigkeit-ihre-besonnenheit-eine-der-kardinaltugenden/

Fortitudo – die Tapferkeit
https://berlinspirit.de/die-tugend-nr-2-tapferkeit/

Prudentia / Sapientia – die Weisheit / die Klugheit
https://berlinspirit.de/die-tugend-nr-3-weisheit/

Justitia – die Gerechtigkeit

Beifolgend kommen hier später noch die drei theologischen Tugenden hinzu;
um die Zahl sieben zu komplementieren:
fides –  der Glaube
caritas – die Liebe
spes – die Hoffnung.

Carl Larsson 1853-1919

Stellt die Gerechtigkeit sich in unserer heutigen Zeit vielleicht doch nur noch als ein gedankliches Konstrukt von einem moralischen Ideal dar?
Denn was heißt gerecht?
In der Antike besteht Gerechtigkeit laut Platon, „wenn man das Seine tut und nicht vielerlei Dinge treibt“. Das heißt – Jeder soll das Seine tun, in der Art und Weise, wie es seinen Möglichkeiten, individuellen Umständen und seinem Wesen nach entspricht. Dem folgt sogleich noch die Ergänzung in Form der Verteilungsgerechtigkeit.
Jedem das Seine, da stellt sich schnell bei mir die Frage: Was steht wem wieso überhaupt zu?
Gerechtigkeit ist eben nicht gleich Gleichstellung.

Es sieht so aus, als ob uns der Begriff „Gerechtigkeit“ in Bezug auf gesellschaftliche Formen und Zustände augenscheinlich begreiflicher erscheint. Auch wenn die Rechtsauffassung auf recht unterschiedliche Weise ausgelegt, interpretiert und als Recht vertreten wird.
Nur wie schaut es mit der persönlichen inneren Vorstellung von Gerechtigkeit aus, als eine Charaktereigenschaft unsere Person betreffend.
Meinem Erachten nach gehören ausübende charakterliche Fähigkeiten wie Loyalität, Fairness, auch Redlichkeit und das Bemühen um Objektivität mit dazu. Was ist mit der Menschenwürde, Souveränität und Fürsorglichkeit um seinen individuellen Gerechtigkeitssinn auch handelnd oder umsetzend auszuleben.
Dies ist ein uralter Konflikt – wonach kann Recht, wenn es gerecht vertreten wird – denn dann bemessen werden?
Sind es diese Charakterstärken die einen Menschen dann dazu befähigen eine  personale „gerechte“ Urteilskraft zu besitzen, welche wiederum Menschen wie z. B. einen Richter, einen Chef, einen Politiker usw. als eine „gerechte“ Persönlichkeit autorisieren, um gegen Unvollkommenheiten dann „Gericht“ zu halten?
Oder wird Recht eher nach äußerlicher Darstellung bemessen, wie nach sozialer Lage/Stellung, Alter, Bildungsniveau, Leistung im Allgemeinen, Errungenschaften usw.
Oder genügt dazu alleine ein festes, starres Regelwerk von Paragraphen, Gesetzen, Verordnungen, Verboten und Geboten?
Und was zeichnet diese Menschen aus, die dieses Reglement beschließen?

Ich glaube, es bleibt bei einem Versuch meinerseits, Gerechtigkeit in den vielen angewandten Bereichen, wie Politik, Familie, Unternehmen usw., in der die „gerechte Gerechtigkeit“ angewandt eine Rolle spielt, überhaupt als diese zu erkennen, um sie dann mit klaren Begrifflichkeiten definieren zu können.
Das Einzige, was mir auffällt ist, dass wir alle aufgerufen sind mehr Bewusstsein anzustreben in Bezug auf das, was die Gerechtigkeit für jeden Einzelnen ethisch und moralisch bedeutet. Gerade weil wir in einer Zeit leben wo wirklichkeitsbezogene Wahrheiten lebensnotwendig erscheinen, weil Realitäten entweder verdreht, verleugnet oder verdrängt werden.

Carl Larsson 1853-1919

Dieses freiwillige uneigennützige Gerechtigkeits-Bewusstsein, das der menschelnde Mensch persönlich empfindet, wurzelt meinem Erachten nach in der Wahrnehmung von „natürlichem Mitleid“, dieser gefühlten Anteilnahme (kein Mitleiden) an dem Schmerz und Leid anderer.

Gerechtigkeit – als Kardinaltugend
Hier lande ich schon bei dem Wort „Kardinal“, welches sich lateinisch von „cardo“ (= Türangel, Dreh- und Angelpunkt) ableitet, dies drückt aus, dass sich um Wesentliches, noch andere Dinge drehen. Eine Tür dreht sich um ihre Angel.

Das Wort „Tugend“ (lat. Virtus) leitet sich von „taugen“ ab, mit seiner Grundbedeutung von „Tauglichkeit“. In der Umsetzung für uns Menschen, heißt das so viel wie ein tüchtiges und verantwortungsvolles, also taugliches Leben zu führen.
Alle vier Kardinaltugenden im Allgemeinen betrachtet sind Entfaltungen, um die sich der Mensch sinnvoll reifend im Laufe seines Daseins bemühen sollte, um die nötigen Fähigkeiten auch dafür entwickeln zu können.

Carl Larsson 1853-1919

Nicht möglich
Gleichbehandlung ist bekanntlich keine Gerechtigkeit.
Und Ungleichbehandlung wird nicht als Gerechtigkeit empfunden.
Also ist keine Gerechtigkeit möglich, die auch als Gerechtigkeit empfunden wird.

© Peter Hohl (*1941), deutscher Journalist und Verleger, Redakteur, Moderator und Aphoristiker, Quelle: Hohl, P./Busch, J.,
Erfolg ist leicht…: 52 absolut neue Wochensprüche von Peter Hohl und Joaquin Busch, SecuMedia Verlag, 2006

Es ist schlichtweg recht vielschichtig und komplex – das mit der Gerechtigkeit – erstens diesen Begriff für mich persönlich inhaltlich zu definieren und zweitens die Gerechtigkeit dann auch noch in ihrer Fülle der Auslegungen in den Kontext der sozialen Gemeinschaftlichkeit zu bringen.
Ich für mich persönlich bin jetzt erst einmal an dem Punkt angekommen, dass es viele unterschiedliche Arten und Formen von Begriffsbildungen zur Gerechtigkeits-Einteilung gibt.
Viel zu verflochten für mein kleines Gehirn.
Undurchschaubar ist für mich persönlich vom Wissen her, nach was es dem einzelnen Menschen, um human leben zu können, so gelüstet. Ich bin für mich eigenverantwortlich und trage auch für mich und meine Umwelt eine Fürsorgepflicht, daher respektiere ich erst einmal jeden Menschen so, wie er sich mir präsentiert. Daraus ergibt sich konsequenter Weise auch für mich meine menschliche Nächstenliebe, jedenfalls soweit es mich mit meiner Sichtweise betrifft.

Ich sage ja, dies ist kein einfaches Schwarz-Weiß-Thema. Die umtriebige Polarität streift hier viele unterschiedliche Bereiche der vier Tugenden. Es gibt kein reinrassiges Gut oder Böse. In unserer gelebten Realität werden „Rechte“ (wer verleiht diese?) kaum durch Gerechtigkeit unterstützt.
Upps, da wären wir doch gleich noch einmal bei der Gleichheit von Chancen oder der gerechten Verteilung von Chancen angelangt. Dazu habe ich eine gar köstliche Fabel weiter unten im Repertoire. Da darf Mensch sich auch Gedanken zur Fairness, wenn diese verletzt wird machen. Oh ja, Vergeltung spielt in der Fabel auch eine Rolle oder ist es gar eine gerechte Bestrafung aus der Entrüstung heraus, weil „man“ sich ungerecht behandelt fühlte?
Es ist wie es ist, Gerechtigkeit setzt sich aus vielen schillernden Facetten zusammen und dazu mit den Parametern, die wir selbst dann der formgewordenen Gerechtigkeit zugrunde gelegt haben.
Wenn ich dazu Rückschau halte, habe ich die Gerechtigkeitstheorien von Sokrates, Platon und Aristoteles vereinfacht dargestellt so verstanden: Für sie galt es als höchstes Ziel „Glückseligkeit“ zu erlangen und dies über den Weg Gerechtigkeit auszuüben und zu erfahren. Ergo war für sie die Tugend der Gerechtigkeit entscheidend.
Allerdings ging man hier mehr von der persönlichen Lebenshaltung des Einzelnen aus. Nach der christlichen Vorstellung kann dem Menschen offensichtlich Gerechtigkeit nur durch die Gnade Gottes zuteilwerden.
Ganz köstlich wird es wenn Gelüste wie Macht, Habgier oder Neid eine treibende Rolle im menschlichen Dasein spielen, hier ist die Ungerechtigkeit in Form von Täuschung, Unaufrichtigkeit, Verrat bis hin zu einer Straftat als Gegenpol voll mit dabei. Habsucht auf der politischen Ebene ist ganz fatal, man braucht sich dazu nur den Nahost-Konflikt mit seinen ausufernden Kriegen anschauen. Alles von Menschenhirn erdacht und von Menschenhand ausgeführt.

Carl Larsson 1853-1919

Meine Lieben, wenden wir uns beherzigenswert, was die Wirklichkeit betrifft, unserem eigenen menschlichen Tun, Hören und Sehen zu. Bemühen wir uns unsere Augen und Ohren offen zu halten.
Denn hier werden wir schon im Vorfeld bewusst der Formen von Recht, Gerechtigkeit, aber auch Ungerechtigkeiten oder unrechten Handelns gewahr.
Besser viel besser ist es mehr Freundlichkeit und Dankbarkeit im alltäglichen Umgang des Miteinanders zu praktizieren und dieses in unser Handeln einfließen zu lassen.

Doppeldeutiges und Nachdenkens-Wertes von Thomas von Aquin (1224 – 1274), italienischer Philosoph und Dominikanerpater: 

Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist Grausamkeit;
Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit ist die Mutter der Auflösung.

Quelle: Aquin, Kommentar zum Matthäus-Evangelium. Matth. 5,2

„Sei und bleibe gerecht – dir und deinen Mitmenschen gegenüber“!
Dies verschafft ein sanftes Ruhekissen, jeden Tag auf ein Neues und das fühlt sich auf Dauer unseres Daseins aber so was von einem friedlichen, harmonischen, zufriedenen und lebendigen GUUUUT an.

Carl Larsson 1853-1919

Fabel von Aesop

~ Der Fuchs und der Storch ~

Lehre: Wer betrügt, muss sich auf Konsequenzen gefasst machen.
Denn:

Was du nicht willst, dass man dir tu‘,
das füg‘ auch keinem anderen zu.

Eines Tages hatte der Fuchs den Storch zum Mittagessen eingeladen.
Es gab nur eine Suppe, die der Fuchs seinem Gast auf einem Teller vorsetzte.
Von dem flachen Teller aber konnte der Storch mit seinem langen Schnabel nichts aufnehmen. Der listige Fuchs indessen schlappte alles in einem Augenblick weg.
Der Storch sann auf Rache.
Nach einiger Zeit lud er seinerseits den Fuchs zum Essen ein.
Der immer hungrige Fuchs sagte freudig zu.
Gierig stellte er sich zur abgemachten Stunde ein.
Lieblich stieg ihm der Duft des Bratens in die Nase.
Der Storch hatte das Fleisch aber in kleine Stücke geschnitten und brachte es auf den Tisch in einem Gefäß mit langem Halse und enger Öffnung.
Er selbst konnte mit seinem Schnabel leicht hineinlangen.
Aber die Schnauze des Fuchses passte nicht hinein.
Er musste hungrig wieder abziehen. Beschämt, mit eingezogenem Schwanz und hängenden Ohren schlich er nach Hause.

Carl Larsson 1853-1919

Eine Fabel über Ungerechtigkeit oder doch Gerechtigkeit
von Albert Martin

~ Die Störchin und die Frösche ~

Lehre: Jeder sollte auf das achten, was er selber tut.

Eine Störchin, schon fortgeschritten an Jahren, hatte die schwere Aufgabe übernommen, einer Gruppe junger Frösche beizubringen, was Frösche fürs Leben wissen müssen.
Sie war mithin eine Lehrerin, diese Störchin.
Ihre Frösche aber, die sie lehren sollte, waren so, wie junge Frösche eben sind:
unruhig, frech, eigensinnig und quakten bei jeder Gelegenheit, um ihre Unzufriedenheit auszudrücken.
„Was? Schon wieder Hausaufgaben?“
„Die Stunde hat noch nicht angefangen!“
„Ich habe überhaupt nicht gestört!“ und so weiter und so weiter.

Immer hatten sie etwas auszusetzen an der armen, gütigen Störchin.
Die wurde im Laufe der Jahre gereizter und empfindlicher.
Eines Tages hat ihr doch sogar eines ihrer Froschkinder – oder waren es gar mehrere? –
das Bein, das sie nach Storchenart beim Stehen eingezogen hatte, so festgebunden, dass sie es nicht mehr ausfahren konnte.
Das war freilich ein übler Streich, und wir müssen es zugeben, dass sie wohl ein wenig eingenickt war während ihres Unterrichts.
Denn wie hätte man ihr sonst ein Bein an den Leib binden können, ohne dass sie es gemerkt hätte?

Da stand sie nun, die Störchin, und flatterte empört mit den Flügeln, klapperte mit ihrem Schnabel und rief nach dem Schuldigen für dieses Untat.
Natürlich meldete sich niemand, auch wenn alle Frösche kicherten und vermutlich sogar wussten, wer sich diese Schandtat erlaubt hatte.

Aber Petzen tut man nicht – das ist Ehrensache auch unter Froschkindern!
Damit konnte sich die Störchin aber nun nicht zufrieden geben.

Solch eine Blamage für sie, solch eine Gemeinheit … und die sollte ohne Strafe bleiben?

Carl Larsson 1853-1919

Aber wie bestraft man jemanden, den man nicht kennt?
Man unterstellt, dass alle ihn kennen, aber nicht verraten.
Also bestraft man einfach … alle! Die ganze Frosch-Rasselbande!

„Absolutes Wasser-Verbot für den heutigen Tag und für die ganze Gruppe“, verkündete sie streng und laut.
„Niemand von euch darf heute in den See! Und unterrichten will ich euch heute auch nicht mehr. Ihr bleibt auf dem Land und denkt über euer Verhalten nach!“
Die Empörung der jungen Frösche war groß!

Vor allem beklagten sie sich über die bittere Ungerechtigkeit, dass sie nun alle auf dem Trockenen sitzen sollten, obwohl doch nur einer von ihnen etwas angestellt hatte!

Während sie sich so erregten, schaute aus dem Wasser des Teiches, in den sie nun nicht mehr hineindurften, ein alter Frosch heraus und quakte ihnen zu:
„Ihr beklagt euch, ihr Jungvolk, über Ungerechtigkeit?
Dann seid selber gerecht, denn das ist es, was ihr auch selber entscheiden könnt.
Ob man euch dann auch gerecht behandelt, müsst ihr wohl den anderen überlassen.“
Sprach’s … und schnappte sich mit einer raschen Bewegung seiner Zunge eine vorübersurrende Fliege.
Die Fliege fand das ungerecht.

Ich wünsche euch, chillige Zeit-Momente
in denen ihr die tragenden Früchte der Gerechtigkeit
dann genussvoll spürend in eurem Leben genießen könnt
herzlichst eure Ute Weiss-Ding

Carl Larsson 1853-1919

Bilder: Carl Larsson 1853-1919, war ein schwedischer Künstler. Seine Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen zeigen überwiegend das Leben seiner Familie in und um das Wohnhaus in Sundborn, Schweden.

Quelle: http://www.albertmartin.de/altgriechisch/forum/?view=1095

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