Schnepfe und Venusmuschel


50. Wochentipp – Thema
Einfach so – (zeitlos) so einfach
Gier und Uneinsichtigkeit wohlig vereint
Vernunft und Einsicht aufreizend abwesend

Otto Eckmann 1865-1902

Da hätten wir auf der einen Seite – Die einflussreiche Macht der Gier.
Und auf der anderen Seite – Die Herrschaft der Unnachgiebigkeit.
Oh je, da haben wir ihn – den Salat – fein gewürzt mit Zank und Zwist.
Erregend streitvoll erhebt sich nun auch noch die wabernde Uneinsichtigkeit.
Wollüstig beherrscht hier der Mangel an Unterscheidungsgabe – die Situation.
Dabei wäre es so einfach – einfach so – die Lage zu klären – mit Vernunft und Einsicht.
Habt Acht – denn im Angesicht des Todes endet mit Verlaub – jeglicher streitiger Verdruss.
ute weiss-ding

Lustig, lustig trallalala, schon ist er da – der 2. Advents-Sonntag.
Faszinierend, wie die Zeit geschwind verrinnt. Frohsinnig möchte ich euch daher „Jetzt und Hier“
mit einer ganz und gar herzallerliebsten kleinen chinesischen „Lehrgeschichte“ beglücken.

Otto Eckmann 1865-1902

Meine Lieben, hier geraten im wahrsten Sinne, eine Schnepfe und eine Venusmuschel grandios aneinander. Ach, wie betrüblich, da erwartet die Beiden doch gar am End der Geschicht auch noch ein fatales Finale.
So geht es, wenn zwei sich uneinsichtig verrennen in ihrer vermeintlich beiderseitigen Rechthaberei.
Oh Graus, da lauert schon ein Dritter, der hemmungslos seinen Gewinn aus der Streites-Lust der zwei hilflos „Schwachen“ einheimst. 

Gerade in einer Zeit, wie zum Beispiel der Vor-Weihnachtszeit, in der alles ein wenig hektisch zugeht, da kann es durch ein wenig Unachtsamkeit zu Streitereien kommen.
„Wer ist schuld?“ – Ja, klar immer der andere! … und sowieso  und  überhaupt…
Übelst, wenn ein unvernünftiger Dialog folgt, fein zubereitet mit bruchstückhaften Darstellungen und Rechtfertigungen. Meist wird genau dort am leidenschaftlichsten gestritten, wo der Clinch sich überhaupt nicht lohnt. Tja, und wenn das Gerangel zwischen zwei „rechthaberischen Dummköpfen“ stattfindet, gibt es garantiert einen dritten der aus diesem Streit seinen Nutzen ziehen kann.

Otto Eckmann 1865-1902

Fazit: Die Moral der Geschicht: Es ist wenig sinnvoll, wenn zwei Streitende sich so mit sich selbst beschäftigen, dass sie gemeinsam keinen tragfähigen Kompromiss mehr finden können und somit erst einem Dritten den „Profit“ aus diesem Streit heraus ermöglichen… Und so etwas lässt sich auf etlichen Lebensbereichen, speziell auch in der Politik, finden.
Aber wir sind ja schlau und beschreiten in misslichen Situationen feinspürig einsichtig den Weg der bedachten Besonnenheit gepaart mit Weitblick und das fühlt sich auf Dauer dann aber sowas von einem beeindruckenden, befreienden, wertvollen und ehrlichen GUUUUT in unser aller Leben an.
Und da kommt sie schon – die erregende kleine Parabel:

Illustration aus dem Buch Gu Sheng-qing

Schnepfe und Venusmuschel geraten aneinander.

Eine Venusmuschel öffnete ihre Schale am Meeresstrand unter dem Sonnenschein.
Da kam eine Schnepfe an der Venusmuschel vorbei und streckte den langen Schnabel in die Schale, um das Muschelfleisch zu kosten.
Da klappte die Venusmuschel hastig die Schale zu. indem sein Schnabel der Schnepfe einklemmte. Die Schnepfe tat ihr Bestes, konnte sich aber nicht freimachen.
Auch die Venusmuschel konnte sich nicht freimachen. Es war ihr unmöglich, in den Fluss zurückzukehren.
Da stritten sich Schnepfe und Venusmuschel heftig.
Die Schnepfe murmelte: „Es regnet einen Tag, es regnet zwei Tage nicht. Du kannst nicht in den Fluss zurückkehren.
Ohne Wasser musst du letzten Endes sterben!“
Die Venusmuschel gab zurück: ¨“Wenn ich dich nicht freilasse, kannst du deinen Schnabel nicht herausziehen. Nach einem Tag, zwei Tagen kannst du auch nicht mehr leben!“
Schnepfe und Venusmuschel zankten ununterbrochen.
Keine gab nach. In diesem Augenblick kam ein Fischer vorbei. Er fing beide auf einmal. 

Ich wünsche euch, ganz viele harmonische Gelegenheiten
in denen ihr jederzeit die in euch ruhende Einsicht
dann genussvoll spürend in eurem Leben genießen könnt
herzlichst eure Ute Weiss-Ding

Otto Eckmann 1865-1902

Bilder: 1 Illustration dem Buch s. Quelle entnommen.
und weitere Bilder von: Otto Eckmann 1865-1902, er war ein deutscher Maler, Grafiker und Typograf.

Quelle: Eugen Diedrichs Verlag · Sprichwörter und Lehrgeschichten der Chinesen · Aus dem Chinesischen übersetzt und herausgegeben von Gu Sheng-qing – der in seiner Vaterstadt Shanghai kursierende Sprichwörter-Hefte gesammelt und ihre Geschichten übersetzt hat.

Hinter jedem chinesischen Sprichwort steckt eine merkwürdige, oftmals dramatische, mitunter witzige und stets lehrreiche Geschichte. Hier lernen wir die alten berühmten Texte kennen, so wie sie im modernen China gang und gäbe sind: Mit ihrer gesellschaftlichen Moral und mit zauberhaften Illustrationen.
Dies ist der Originaltext von der Rückseite des Einbandes meines kleinen Büchleins.
Ich liebe chinesische Weisheiten – es sind fürwahr wahre Nachdenker.