Leben – „vita activa & vita contemplativa


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Das Wochentipp – Thema:
Herbst
„vita activa & vita contemplativa“

Im ganzen Königreich der Natur wechseln immer Perioden der Aktivität mit denen absoluter Ruhe ab.
Prentice Mulford (1834 – 1891, auf einem Boot vor Long Island treibend), US-amerikanischer Journalist, Erzieher, Goldgräber und Warenhausbesitzer

Der Herbst in Berlin ist bisher herrlich golden gelockt, wohlig bei uns angekommen. Die Natur macht es uns mit ihrem Jahreszeitenwechsel vom aktiven Treiben bis hin zum besinnlichen Ruhen vor.
Ach was wäre es schön, wenn wir Menschen uns einfach so – so einfach, dem natürlichen Treiben der Natur frohsinnig anschließen könnten und es dadurch zu mehr Gelassenheit und Geduld in unserem Leben bringen würden … stattdessen wird alles Mögliche unternommen um dem natürlichen Kreislauf der Natur unserer Mutter Erde den Garaus zu machen … Ich hasse den Konjunktiv – hätte hätte Fahrradkette –

Ich liebe den Herbst mit seiner uns begleitenden reichen und bunten Vielfalt. Ergo – schreibe ich diesmal vergnügt einen herbstlich, friedlichen Wochentipp.
Wie ich finde, mit einem ganz und gar dazu passenden Thema – als da wäre:  

Vita activa – vom tätigen Leben – als Ideal der tätigen Nächstenliebe – da freut sich doch der Chef – oder?

Vita contemplativa – in Betrachtung versunkenes (beschauliches) Leben  – bitte noch vor dem „Rentenalter“…

Eigentlich betrachte ich Bequemlichkeit als etwas Feines.
Nur wenn mein Leben tagein, tagaus immer wieder seine Runden, eins ums andere Mal in der gleichen Art und Weise seine vertrauten Runden, dreht, dann muss ich mir meine freiwillig behaglich eingerichtete Lebens-Komfortzone, mal aber doch genauer anschauen – bevor ich unbewusst im Nirwana der Niedergeschlagenheit endend „aufblühe“.  
Hingesehen, hineingespürt – ehrlich bewertet, nichts vorgemacht, festgestellt, hier dürfte nicht viel Neues in meinem Leben geschehen, außer dass ich immer dem gleichen eintönigen Rhythmus fröne.

Hier erwarte ich wohl nicht sehr viel von mir selbst und Erfolgserlebnisse dürften rar gesät sein.
Igitt, ich müsste ja aktiv werden und was passiert denn dann mit der ach so schönen Annehmlichkeit meines aufgeräumten, wenn auch langweiligen Dahinlebens?
ABER es ist ja so schön bequem …
Es fehlt „vielleicht hier und da“ die motivierende Lebensenergie. Mein Selbstwertgefühl ist leicht schwächelnd und Entscheidungen treffe ich naturlement nur solche, die mich nicht zu sehr fordern und damit fast unsichtbar halten.
Hier bleibt nicht nur mein lebendiges Dasein, nein, auch mein Denken, meine Kreativität auf der Strecke.
Ich könnte ja sonst in die Versuchung kommen mir meine kunstvoll verborgenen Träume anzuschauen.
Oh je, Möglichkeiten und Chancen wahrzunehmen – da müsste ich ja raus aus meinem behaglichen Leben, meiner köstlichen Komfortzone.
Ach nee, lieber doch nicht – mich bloß nicht noch bemühen, ich müsste womöglich Risiken eingehen und anstrengend wäre das auch noch. Upps, was ist, wenn ich mich blamiere, neue Menschen kennenlerne, die mich ablehnen könnten und dann versage ich womöglich auch noch, mache einen Fehler nach dem anderen.

Wenn jetzt die unter uns weilenden, sehr rührigen Zeit-Genossen, die ja ständig neue Dinge in ihrem Leben kreieren, viel arbeiten und ansonsten vom Extremsport bis hin zu ach so kreativen Betätigungen, meinen sie hätten sich keine bequeme Komfortzone in ihrem Leben eingerichtet, können sie hier sicherlich leicht irren.
Viele tun alles, um erst gar nicht ihre eigene Bedeutungslosigkeit, Nichtigkeit in diesem Leben zu spüren…
Hier verhindert die ständige Aktivität das sich wirkliche Auseinandersetzen mit sich selbst.
Bis an die körperlichen Grenzen mit was auch immer zu gehen, heißt nicht dem wahren Geist der lebendigen Spiritualität zu begegnen oder diesen zu spüren, hier heißt die wahre Triebfeder der Begehrlichkeit – wahrgenommen zu werden, anerkannt zu werden.
Perse ist das ja OK – wenn ich denn weiß um das, was ich da in meinem Leben so im Außen kreiert habe …
Sich nur in Extrem-Situationen zu spüren – sorry, mich macht das nervös. Gegen wen kämpfe ich hier eigentlich an oder was will ich mir beweisen?
Allerdings wenn es die persönliche Eigenart eines Menschen ist, sich mit seinen Grenzen selbst zu erforschen, dann bitte schön – ich lasse sie machen…

Für mich bietet das Alltagsleben jede Menge an wirklichen Begegnungen, welche mich voll und ganz fordern. Das kann mich täglich eine Achterbahn der Gefühle erleben lassen.
Wenn, ja wenn ich achtsam bei mir bleibend bin, mich vertrauensvoll einlasse auf jede Minute meines Tages, meines Lebens und mich dazu mit meinen persönlichen Unzulänglichkeiten anzunehmen vermag, da darf ich schon genug eigene innerliche Grenzen erkennen und überwinden.
Das fängt schon morgens an – mich wirklich jeden Tag zu disziplinieren z.B. meine Rücken-Übungen zu machen, anschließend mich meinen Begehrlichkeiten zu stellen, „last but not least“ gibt es da noch meine Mitmenschen, mit denen möchte ich ja auch noch klar kommen usw. …

Angst – ist unser aller größter Gegenspieler, wenn es darum geht seine persönliche Komfortzone zu verlassen.
Über die eigene Komfortzone hinauszugehen erfordert Mut.
Machen wir uns unsere eigenen einengenden Glaubensgrundsätze bewusst, dann werden wir bemerken, dass diese auf alten Erfahrungen und Verhaltensmustern beruhen. Wir sind es selbst, die sich durch die persönliche Sicht auf frühere Erlebnisse dazu etwas in unserem Köpfchen zurecht gelegt haben.

Unsere eigenen Fehl-Interpretationen beruhen somit auf einen entstellten Blick, einer nebelig wahrgenommenen Beobachtung auf längst vergessene Situationen, meist aus der Kindheit.
Unser inneres Kopfkino produziert fantasievolle, angstbesetzte Gedanken-Vorstellungen. Ach ja, so ist das mit der Aufmerksamkeit, sie folgt völlig wertfrei unserem Denken und beflissen folgt uns sogleich Furcht und Mutlosigkeit, damit wir erst gar nicht ins Handeln gelangen und schön artig in unserer eigenen Komfortzone hängen bleiben.

Meine Lieben, nichts aber auch wirklich nichts spricht dagegen wieder aktiv zu werden, um in eine uns unbekannte Dimension des Daseins aufzubrechen auch wenn diese Richtung sich noch namenlos und fremd anfühlt. Sich lebendig zu fühlen, sich zu entwickeln und mutig voran zu schreiten, fängt mit dem Schritt an, sich bewusst zu machen, dass sich etwas in meinem Leben in Richtung Lebendigkeit verändern darf. Es mir zu erlauben und mich bewusst mit meinen Wünschen auseinander zu setzen, ist der Anfang. Alles andere wird sich im Laufe der Beschäftigung damit, dann namentlich zeigen, speziell auch wohin die neue Reise gehen soll.
Für mich fühlt sich das Leben wie ein Fluss an.
Mein Leben ist eben mal flutend und mitreißend, dann wieder ruhig und langsam dahinströmend, um dann Höhen und Tiefen fließend auszugleichen, auch befinden sich in meinem Lebensfluss Hindernisse, die ihn stauen lassen. Es sind meine Lebens-Bewegungen, die meinen Lebensfluss weiter fließen lassen. Ich glaube, dass es wider die menschliche Natur ist, uns festhaltend am lustvollen Fließen durch eigene „Kopf-Sperren“ zu hindern.

Besser, viel besser ist es euch zu fragen:

  • Ob Veränderung, in welcher Form auch immer überhaupt von euch gewünscht wird.
  • Ob alte Erfahrungen und Überzeugungen euch gefangen halten.
  • Ob eure liebgewonnenen Gewohnheiten und die Langeweile euer Leben bestimmend eingerichtet haben.
  • Ob euch fehlende Erfolge und der Mut zum Aufbrechen fehlen.

Oft verspüren wir ein inneres Unbehagen und wir wissen nicht, wie es im Leben weitergehen soll. Hier sind wir aufgefordert unser Glück selbst verantwortungsvoll in die Hand zu nehmen.

Ver-Antwort-ung heißt Fragen zu stellen und nach Antworten zu suchen.

ABER wenn wir in uns hineinspüren, werden wir wissen welche Bedürfnisse wir haben und hier sind wir aufgefordert eine Entscheidung für uns zu treffen.

Auch hier hilft es sich die Fragen zu stellen:

  • Ob das, was ich anstrebe auch wirklich mit meinen Talenten, Fähigkeiten und Kenntnissen konform geht und überhaupt zu mir passt.
  • Ob der Zeitpunkt der passende ist und ich das jetzt wirklich brauche.
  • Möchte ich meine persönliche Komfortzone wirklich verlassen oder brauche ich noch mehr Zeit der Besinnung.

So wie ein Fluss ruhige durchlaufende Abschnitte hat, brauchen wir Pausen und Ruhe.
Aktive, tätige, vorwärtsdrängende Veränderungen brauchen besinnliche Ruhepausen, ansonsten machen uns unsere Machenschaften blind gegenüber dem Wesentlichen in unserem Leben.
Kleine achtsam bewusst gesetzte Schritte sind auf Dauer gesünder. Wenn wir vermeinen schnell, ungezügelt und hemmungslos vorwärts zu preschen, dann sind wir aufgefordert, bitte an die ausgleichenden Pausen zu denken, uns diese zu erlauben und dann zu gestalten, denn nach einem Rückzug in die Ruhephase kommt es zur beschaulich, besinnlichen Erholung. Hier können wir uns selbst mit unserer inneren Quelle verbinden, um dann später wieder klarer, kraftvoller weiter voran zu schreiten.
Lasst uns, unserer eigenen Intuition vertrauen, zuversichtlich auf unser Herz hören, welches uns unsere Sehnsüchte lustvoll mitteilt, sowie altes Überholtes in unserem Leben erkennen und verabschieden. Hier werden wir unsere Mitte finden und sehr genau spüren, was wir nicht wollen, aber vor allem was wir möchten und wo wir hinwollen.
Unsere neu erkannten persönlichen Ziele lassen uns dann ins Handeln gleiten und wir sind dann bereit unsere einengende Komfortzone gerne zu verlassen. Der Fluss des Lebens hat uns dann lebendig agierend wieder und das fühlt sich aber so was von einem glücklichen, zufriedenen und zielsetzenden GUUUUT an.

Soviel zur Polarität

Glauben und Wissen sind zwei Ausdruckformen
der geistigen Aktivität unterschiedlicher Herkunft.
© Michael Dur (*1944), deutscher Buchautor, Aphoristiker und Unternehmensberater

 

Viele Luxusprobleme können durch die Besinnung auf Normalität gelöst werden.
© Helmut Glaßl (*1950), Thüringer Aphoristiker

besonnen – aktiv – doch niemals passiv

Gelassenheit gewinnt man nur in der Besinnung auf das Wesentliche.
© Georg Moser (1923 – 1988), deutscher katholischer Bischof

 

Die Aktivität produziert Fehler,
aber nicht so große wie die Passivität.
© Pavel Kosorin (*1964), tschechischer Schriftsteller und Aphoristiker

Die Pole des Lebens

Wenn du nie so werden wolltest, wie du geworden bist,
dann ist jetzt die letzte Gelegenheit zur Besinnung.
© peter e. schumacher (1941 – 2013), Aphorismensammler und Publizist

 

Die Wirklichkeit des Lebens besteht nicht aus Gefühl, sondern aus Aktivität.
Simone Weil (1909 – 1943), französische Philosophin

Die Erkenntnis
des natürlichen Rhythmus
von Aktivität und Besinnung

Erkenntnis im strengen Sinn
(oder genauer gesprochen: die Verstandestätigkeit, die zu ihr hinführt)
ist echte Aktivität und als solche nur für ein freies Subjekt möglich.
Edith Stein (1891 – 1942), Ordensname Teresia Benedicta a Cruce, deutsche (jüdische) Philosophin und Karmelitin, in Auschwitz ermordet. 1987 selig und 1998 heilig gesprochen von Papst Johannes Paul II.  Quelle: »Die ontische Struktur
der Person und ihre erkenntnistheoretische Problematik«, 1932

 

denn

 

Kraft, die sich in der Ruhe versichtbart, ist gehaltene Kraft.
Johann Christoph Friedrich von Schiller (1759 – 1805), deutscher Dichter, Dramatiker

 

und

 

Besinnung

besuche
bei sich selbst

herausfinden
wer man selber ist

anstatt blöd
über andere reden
© Markus Prem (*1970), österreichischer Erdwissenschafter, schreibt Essays,  Quelle: Prem »silbensturm«, 50 Gedichte, erschienen im Knofe Verlag, 2004

 

mit dem dazugehörigen Rezept der Umsetzung

 

So wie der Gärtner durch strenges Beschneiden
den Saft des Baumes in einen oder zwei starke Zweige zwingt,
so solltest du deine vielfältigen Aktivitäten einstellen
und deine Kraft auf einen oder wenige Punkte konzentrieren.
Ralph Waldo Emerson (1803 – 1882), US-amerikanischer Geistlicher, Lehrer, Philosoph und Essayist

Ich wünsche euch
euer Lebens Herrschaftsgebiet via
„vita activa“ & „vita contemplativa“ genussvoll zu gestalten
herzlichst eure Ute Weiss-Ding