Wir mieten ein Boot…


30. Wochentipp – Thema
Einfach so – (zeitlos) so einfach

Eine Bootsfahrt die ist lustig
und zum fröhlichen Gelingen gehören
heiteres Wetter, frohsinnige Menschen und ein sonniges Gemüt.

Helles Sonnenlicht tanzet auf dem Wasser.
Der Himmel so herrlich blau und weit.
Weiße Quellwolken ziehen leise
und dazu ein Duft der stillen Freude.
Glück und Leid leis und sanft vereint.
So spiegelt nimmermüde das Wasser
den Lauf der Welt hinauf zum Himmel.
ute weiss-ding

Ich gebe zu – Ich gehe lieber auf der Erde, wo der Boden mir auf Schritt und Tritt standhält, als mich auf oder im weichen Wasser zu befinden. Zweimal in meinem Leben hat mich das Wasser hinabgezogen und meine Befindlichkeit zu diesem ist mehr als gespalten.
Die Paradoxie meiner Seele:
Denn ich befinde mich gerne am Wasser. Ich liebe es auf großen „Dampfern“ am Heck zu stehen und in das aufwirbelnde Wasser zu schauen und dazu meine Gedanken fließen zu lassen – Meditation pur.

Tja, was für eine Widersprüchlichkeit. Die meisten Hotels in denen ich arbeitete befanden sich am Wasser.
Ach ja, es ward wohl an der Zeit einige meiner alten Seelen-Erschütterungen bewusst anzugehen. 
Als wir letzte Woche im Bikinihaus waren, machte Matthias (er liebt das Wasser abgöttisch) den Vorschlag doch ein Boot zu mieten und die Gewässer um Potsdam herum zu erkunden.
Aus meinem Munde purzelten Worte wie „super Idee – lass es uns machen“. War ich da von allen meinen guten Geistern verlassen oder war ich etwa unbewusst bereit mich auf ein neues Abenteuer einzulassen? Egal, offensichtlich war ich fremdbestimmt. Ich weise hier bezüglich meines Verhaltens jegliche Eigen-Verantwortung von mir….

Matthias ist ein Mann von Wort und Tat. Er fackelte nicht lange. Am nächsten Tag stand der Termin fest und die Bootsanmietung war organisiert und gebucht.
Am Freitag ging es los nach Potsdam zur Bootscharter. Infos dazu wie immer im unteren Teil.

Zeitgleich mit dem Auto kamen Matthias mit Julian und Ludwig und ich an. Den Proviant wohlig in Taschen verpackt und los ging es.
Ein schier endlos langer „durchsichtiger Metallgitter Laufsteg“ führte mich schwankend zum Boot.
Bravo, es ging schon aufregend genug los und ich konnte mich dazu auch noch meiner „Höhenangst“ stellen. Liebe Leser, dies ward nur der Anfang, denn als ich schwindelig am Boot ankam und dieses sah, kam nur ein „ich bleibe hier, fahrt ihr alleine“.
Da lag also völlig unschuldig dieses Boot gefühlte 2 m unter dem Steg und ich sollte auf diese schwankende Nussschale ohne Steg oder Leiter einsteigen.
Ich weiß, nur Menschen von ängstlichem Gemüte können sich hier mitfühlend in mich hineinversetzen.
Julian, jung, dynamisch, frei jeglicher Ängste stieg als erster auf das Boot. Höchst elegant und sich voll im Gleichgewicht haltend. Beeindruckend befand ich und nein – ich dachte keinesfalls, das was er kann, kann ich auch. Mentalarbeit hin oder her – hier schlief diese bei mir ein.
Der Bootsvermieter ein höchst durchtrainierter und attraktiver junger Mann, der in seinem jugendlichen Leichtsinn meinte, „da kommen auch sie rauf, wir helfen ihnen“. Mein erster Anlauf war gruselig – dieses Teil, Boot genannt, schaukelte wie wild und ich gleich mit. Also musste ich mir etwas einfallen lassen, ich setzte mich auf den schwankenden Boden des Pontons, packte die sich mir entgegenstreckenden Hände und glitt zwar etwas unbeholfen, aber heil ankommend in dieses Boot. Offensichtlich waren alle heilfroh, dass ich es geschafft hatte und nicht die Bootstour gesprengt hatte.
Ludwig, mein mich liebender Ehemann wurde noch eingewiesen in das Steuern des Bootes und dann ging es los. Das Wasser unter mir konnte ich durch meine Finger gleiten lassen, soviel dazu wie nahe ich dem Wasser war…

Nachdem ich meine Entspannungsübung hinter mir hatte, konnte ich mich tatsächlich völlig frei und gelockert auf dem Boot sogar bewegen. Die Tour ging von Potsdam aus über den Templiner See, den Schwielowsee und die Havel nach Werder und zurück. Das ganze dauerte vier Stunden.
Das Wetter war einfach nur traumhaft, wie für eine Bootsfahrt bestellt. So muss das sein wenn „Königskinder“ einen Ausflug machen, Kaiserwetter sagte man früher auch dazu.
Picknick an Bord hat dazu ja noch so seinen ganz eigenen Charme. Samtige Luft, fröhlicher Sonnenschein und dabei auf dem Wasser zu „schwimmen“, machen eben Appetit und hungrig. Matthias und Julian sind Vollblut-Veganer und hatten sich essensmäßig gut vorbereitet. Ich hatte einen veganen Pudding mit einem Johannisbeeren-Topping gekocht, sowie Melone und Aprikosen mit in der Picknick-Tasche. Alles in allem fühlten wir uns rund um wohlig wohl.
Matthias machte noch ein Fotoshooting mit Julian und Teilen seiner neuesten Kollektion. Wie abwechslungsreich ist das denn und schon hatte ich auch noch eine andere Art der Unterhaltung auf dem Wasser. Sehr beeindruckend wie Julian die Balance vorne stehend auf dem Bug beim Posen, auf dem doch recht schwankenden Boot voller Leichtigkeit halten konnte. Soviel zum inneren Gleichgewicht.

Wir hatten einfach unseren Spaß und genossen die wirklich friedlich anmutenden Einblicke in die grüne Natur und das farbige Treiben auf dem Wasser. Ludwig fuhr auch recht enge „Seenverbindungen“ und die führten nahe an dem Uferrand vorbei, wirklich schön, harmonisch und friedvoll.
Weite Seerosenflächen, verwurzelte Bäume weit in das Wasser hineinragend, wunderschöne Architektur am Ufer, viele bunte Bootshäfen und so manch Unikum an anderen Booten, sowie zwei Seil-Fähren kreuzten unsere Fahrgewässer. Irgendwie befremdlich befand ich den Namen „Tussy II“, den die eine Fähre trug. Ok, ich räume ein, dass es sich über guten Geschmack gut streiten lässt.
Welch ein Glück für unseren „Kapitän“, es waren kaum Segelboote unterwegs, denn die hätten auch noch vor uns Vorfahrt gehabt.
Ruhe, sanfte Urlaubsstimmung und dann kam „Thekla“. Vorerst hieß das ein Aus für meine Ruhe und meinen Seelenfrieden.
Völlig unverhofft, als ich in mich versunken träumerisch vor mich hin sann, krabbelte diese fiese große braune – ihre Beine einzeln ruckartig vorwärts strebende – Spinne in Richtung Heck, wo Ludwig selig das Boot steuerte und ich plötzlich wie versteinert neben ihm saß.
Wasser, Boot, schwankende Stege, Höhenangst, Leibesübungen via Ein- und Aussteigen aus dem Boot und jetzt dieses monströse Spinnengetier. Das war die Krönung meiner Traumata-Begegnungen.
Matthias und Julian sind Spinnenliebhaber, sie waren also keine große Hilfe in meiner Bedrängnis.
Ludwig dachte wohl schon an die Zeit nach dem Boots-Ausflug und sah sich alleine mit mir und meinem Gejammer, dem Danach ausgesetzt. Dem entsprechend überließ er mir die Boots-Steuerung und machte sich auf, um als Spinnen-Jäger und Tröster meiner Seele tätig zu werden. Aus dem krabbelnden Untier wurde somit dann erst eine Flug- und dann eine Schwimm-Spinne, bzw. lief das Tier wie selbstverständlich auf dem Wasser beleidigt davon. Ludwig wieder am Steuer, ich friedfertig beruhigt und alles ward wieder gut. Jetzt konnte ich die Bootsfahrt aber so was von richtig genießen. Spinnen und ich – nee – das geht einfach nicht – Freunde werden wir in diesem Leben nie und nimmer mehr.

Als die Fahrt zu Ende ging, kam der Ausstieg als nächste Herausforderung auf mich zu.
Aussteigen geht viel leichter als einsteigen, so hatten mich alle beruhigt. Ok, das waren schlichtweg nichts anderes als ein paar an mich adressierte aufbauende Worte, um mich auf das Boot zu locken. Aufbauendes ist leider nicht immer wahr. Es war, wie es war – die Hölle. Nichts und Nada zum Festhalten und raus ziehen da. Außer – Gott sei Dank –  eine alte Auto-Batterie als erste Stufe zum Aufsteigen und die körperliche Stärke des Bootsvermieters der mich mit Matthias rauszog. Geschafft und der Boden unter mir schwankte lustig vor sich hin, aber ich war glücklich am Wasser gelandet zu sein.
Was ich jetzt noch brauchte war Jemand, der mir als Fixpunkt für meine Augen und zur Regulierung meines Gleichgewichtssinns diente und vor mir herging.
„Grüner geht’s nimmer“ stand auf dem Beutel, den Julian trug und der in der Höhe seines Po*s schwebte als er vor mir her lief, als ich denn zu guter Letzt über den Metallgitter-Steg wieder Richtung festen Boden schritt.

Meine Lieben, falls ihr euch fragt ob ich jetzt meine Traumata überwunden habe – Ja und Nein – denn meine Spinnenphobie ist immer noch vorhanden. Eine weitere Bootstour – gerne wieder, dabei würde ich persönlich darauf achten, dass der Ein- und Ausstieg bequemer zu handhaben wäre. Ansonsten bleibt es wie es ist, ich bin ein Mensch der das  AM und ab jetzt auch das AUF dem Wasser mehr liebt, als das IM Wasser.
Sich seinen persönlichen unangenehmen seelischen Befindlichkeiten im Leben zu stellen, kann einen schon recht kreativ bewusst nach Lösungen suchen lassen. Immerhin ist dies schon ein wichtiger Schritt hin zu mehr Bewusstsein im eigenen Leben und das fühlt sich dann auf Dauer aber so was von einem befreienden, bewussten, sich selbst nährenden und gesunden GUUUUT in unserem Leben an . 

Hier kommt ein Gleichnis par excellence: 

Das Boot verlassen 

Meine Fremdheit hier,
mit der ich mich zur Einsamkeit erziehe,
ist eine Illusion.
Wie leicht gehen wir unter, in dem,
was wir glauben,
aber wir glauben es weiter,
auch wenn wir uns selbst damit auslöschen.
Die Wirklichkeit hält uns nicht hoch,
wenn wir uns selbst ertränken wollen.

Zuerst müssen wir im Kopf auf dem Wasser gehen.
Wir müssen das fremde Element annehmen und die sanfte Balance,
zwischen Schweben und Sinken lieben.
Wenn wir dann endlich hinaustreten,
werden die Wellen fester und am Ende werden wir die Küste meiden,
weil Festland den Wasserwanderer
nicht mehr genug herausfordert.

Wer auf dem Wasser gehen will,
muss das Boot verlassen.
© Alexandra Kluxen (*1980), deutsche Lyrikerin

Ich wünsche euch, besinnliche Augenblicke
in denen ihr nah bei euch – euch spüren könnt,
um dann genussvoll und bewusst euer Leben zu genießen
herzlichst eure Ute Weiss-Ding


Fotos: Ute Weiss-Ding
Quelle: Potsdam Bootscharter, Wall am Kiez 1, Potsdam,
0172 905 74 49 oder 048/220/03376, Sascha Fröhlich
http://www.potsdam-bootscharter.de/

Wir hatten ein „Ohne Führerschein“ Boot gemietet und waren vier Personen, evt. würden auch sechs Personen für diese Bootsgröße noch empfehlenswert sein.
Kosten für eine vierstunden Bootsmiete: 138,00 € zzgl. ca. 20,00 € Benzin
Ich persönlich empfinde vier Stunden als ausreichend, ab drei Stunden fängt man an „schläfrig“ zu werden. Dies ist ein Zustand, den ich für mich als weniger erstrebenswert erachte, da ich von Hause aus einen gesunden Schlaf habe. Für die „Gestressten“ unter euch – ist das allerdings ein Zustand der absoluten Entspannung und daher empfehlenswert.