Macht und Ohnmacht und die Sache mit der Dankbarkeit


Einfach so – so einfach
immer noch aktuell:
Macht und Ohnmacht,
das loyale Einhalten eines Versprechens und die Dankbarkeit
in der Fabel
„Der Löwe und die Maus“

Löwe von Albrecht Dürer, 1471-1528, Maus vom britischen Künstler Gary Tymon, „Der Löwe und die Maus“

Der Löwe und die Maus

Eine lebenslustige, kleine Maus tollte übermütig um einen Löwen herum,
 der in der warmen Mittagssonne vor sich hindöste.
Der waghalsige Mäuserich stieg dem König der Tiere sogar auf die riesigen Pranken
und beäugte sie neugierig.
Da wurde der Löwe wach, packte die kleine Maus und wollte sie fressen.

Das Mäuschen zappelte vor Angst und stotterte:
»Lieber Herr König, ich wollte dich nicht aufwecken, wirklich nicht.
Bitte, bitte, lass mich leben. Was hast du von so einem geringen,
mageren Bissen, den deine großen Zähne nicht einmal spüren?
Sonst sind Hirsch und Stier Opfer deiner ruhmreichen Jagd.
Was kann dir denn ein so winziges Wesen, wie ich es bin, schon für Ehre einbringen?
 Ich gebe dir mein Mausewort, wenn du mich freilässt,
dann werde ich dir bestimmt auch einmal aus der Not helfen.«

Der Löwe musste über diese kühnen Worte schmunzeln,
und versonnen betrachtete er den kleinen Wicht in seinen großen Tatzen.
Der Gedanke, dass er jetzt Herr über Leben und Tod war, erschien ihm göttlich.
 »Lauf, kleiner Wildfang, ich schenke dir dein Leben«,
sagte er feierlich und öffnete langsam seine Pranken.
Als die Maus behände davon flitzte, rief er ihr neckend nach:
»Vergiss dein Versprechen nicht!«

Einige Monate später geriet der Löwe auf seiner Jagd in eine Falle.
 Ein festes Stricknetz hielt den gewaltigen König der Tiere gefangen.
Der Löwe tobte und zerrte an den Maschen, aber es half nichts,
das Netz war zu eng geknüpft. Der Löwe konnte sich kaum darin bewegen.

Eine Maus huschte vorbei, stutzte und piepste:
 »Bist du nicht der große Freund von meinem Bruder, den du Wildfang genannt hast?«
Im Nu hatte er seinen Bruder herbeigeholt, und beide Mäuschen zernagten
emsig und mit großer Ausdauer die festen Maschen, Stück für Stück,
bis sie ein großes Loch ins Netz gebissen hatten,
durch das der dankbare Löwe entkommen konnte.

Babrios oder auch Babrius war ein griechischer Fabeldichter italischer Herkunft,
der im späten 1. Jahrhundert oder im 2. Jahrhundert n. Chr.
im Osten des Römischen Reiches, wohl in Syrien, lebte.
Er schrieb aesopische und libysche Fabeln in Choliamben um
und dichtete ferner eigene Fabeln, die er in zwei Büchern, den „Mythiamben“,
veröffentlichte, von denen 144 vollständig überliefert sind.

Der Löwe und die Maus, im Dankbar-SEIN

Beginnend:
Der Löwe groß und mächtig – überlegen.
Sein Handeln war folgend großmütig, huldvoll.

Die Maus klein und ohnmächtig – unterlegen.
Ihr Handeln war verspielt, leichtsinnig.

Kehrtwendung:

Der starke Löwe plötzlich hilflos und ohnmächtig – unterlegen.
Auf die Hilfe von außen angewiesen.

Die winzige Maus ist hilfsbereit und der Ausdauer mächtig – überlegen.
Sie hält ihr Versprechen ein und zeigt so ihre Dankbarkeit

Fragen die bewegen:
Was ist Macht, und was Ohnmacht?
Wer ist mächtig, wer ist ohnmächtig?
Wer hat Macht über wen? Ohnmacht – wer – wem gegenüber?
Kann der Schwächste dem Stärksten einmal behilflich sein?
Was löst Dankbarkeit aus?
Ist es eine endlos „empfundene“ Wertschätzung und
Anerkennung für eine Leistung oder einem Befinden?
Ist Dankbarkeit ein Lebensgefühl,
welches eine innere Haltung offenbart, die glücklich macht?

Quintessenz
Der mächtige Löwe hatte die Macht, der Maus ihr Leben zu lassen.
Die schwache Maus hatte die Macht, dem Löwen das Leben zu retten.
Ohnmächtig war die Maus der Großzügigkeit des Löwen ausgeliefert
und ohnmächtig der Löwe seiner Gefangenschaft.
Was beide verbindet – ein glücklicher Ausgang der Situation –
gekrönt von Dankbarkeit.
Und:
Es ist ein Zeichen von Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit
und Respekt, sein Versprechen einzulösen.
Machtverhältnisse:
Bei uns menschelnden Menschen kann der scheinbar „Einflusslose“
unter bestimmten Bedingungen, Wesentliches oder Wegweisendes, sehr wohl bewirken.
Daher hüte sich der „Mächtige“ davor, den
von ihm als „Schwachen“ betrachteten, respektlos zu behandeln.
Gleichstellung:
Gleichermaßen können „Mächtige“ und „Schwache“ sich ohnmächtig,
unter dem Druck von äußeren Begebenheiten, als „gefangen“ erleben.
Was uns das Ereignis mit dem kleinen Virus Sars-CoV-2 gezeigt hat.
Machtvoll:
Oft erscheint es uns sinnlos, hoffnungslos oder ergebnislos
sich täglich auf ein Neues mit dem Leben auseinanderzusetzen.
Gleichwohl hat all dies einen sinnvollen Wert und eine weiterführende Bedeutung
für unser Leben, wenn wir erkennen,
 dass wir es selbst sind, die sich unbewusst in einem Kampf mit uns selbst befinden.
Wenn wir dieses Ringen als unser eigenes bewusst und fühlend wahrnehmen,
werden wir in der Lage sein,
respektvoll und höflich mit uns selbst, den Mächtigen und
 denen „die angeblich nichts zu sagen haben, den Schwachen“, umzugehen.
Das eigene Leben erhält wieder einen Sinn,
durch dieses Vorgehen des sich selbst zu behaupten.
Dankbarkeit im Dankbar-SEIN zu empfinden, das fühlt sich so was von einem
geborgenen, glücklichen und lebensfreudigen GUUUUT in unser aller Leben an.

Ute Weiss-Ding

Buntes Bild: https://www.ourboox.com/books/the-lion-and-the-mouse-aesop/