Schuld


34-wo-15--schuld rahmen

Das Wochentipp – Thema:
Schuld

Die Dinge sind, wie sie sind und weder Schuldgefühle, noch Schuldzuweisung machen sie besser…
Unbekannt

Ein zauberhaftes Treffen mit meiner Schwägerin, dazu ein interessantes Gespräch über Schuld und Schuldgefühle.
Sie ist Pastorin und hatte von der „Glaubensseite“ her ihre eigene Sichtweise auf dieses Thema und schon ward ein wunderbares Wochentipp-Thema aus der Taufe gehoben …

Ein Wust von Begrifflichkeiten rund um das Thema Schuld  haben mich früher völlig verwirrt.
Für mich gab es nur den Begriff von Schuld – du bist Schuld an… Wer kennt das nicht?
Jedenfalls habe ich das Gefühl, dass wir alle tagtäglich mit diesem Thema konfrontiert werden, sei es den Medien, auf der Arbeitsstelle, dem Freundeskreis oder in der Familie.
Nur wer lässt sich schon gerne auf die begleitenden unangenehmen Gefühle ein, die sich dem Thema Schuld beigesellen und was ist mit unserem Unrechtsbewusstsein und was mit unserer Verantwortung?
Für mich hat die Schuld eine klare Gegenspielerin und die heißt Verantwortung für mich und mein Handeln zu übernehmen. Das klingt viel zu vereinfacht und dazu noch banal aber was soll es, ich vertrete eh die These, dass das Leben einfach ist. Die Wortpfeile meiner Gegenredner höre ich jetzt schon surrend durch den Äther fliegen – ich bleibe dabei – das Leben ist einfach.

Ach wie ätzend, das bedeutet ARBEIT bevor es einfacher wird, denn dazu muss ich mein Gewissen erforschen, meine Moral anschauen, das, was mir einmal beigebracht wurde, darf ich hinterfragen, dazu höhere Instanzen in Frage stellen, vor allem mir mein Unrechtsbewusstsein wahrlich bewusst werden lassen.
Das ist angenehm, denn somit können wir sehr wohl aus dem Spiel „du bist schuld“ aussteigen und aus dem daraus folgenden uns ewig absichernden „bloß keine Fehler machen“, welches ausartet, wie in den Amtsstuben alles dreifach zu dokumentieren, denn wer will schon schuld sein, wenn etwas aus dem Ruder läuft.
Schuld wirkt moralisierend, urteilend und schreit für viele förmlich nach einem „Experten, einer Autorität“ der es für uns dann orientierend richten soll.
Bravo, Rechtfertigung und Strafgericht gehen hier dann Seite an Seite. Alles wird geklärt im Namen der Sünde, die Hand in Hand mit Fehler machen geht, die Beichte, welche die Rechtfertigung schon in sich birgt und die Verdammnis, die die Strafe gleich nach sich zieht.

Was ist Schuld?
Nulla poena sine culpa: „Keine Strafe ohne Schuld“

Dies ist ein Grundsatz aus dem römischen Recht und es schaut so aus, als ob unsere heutige Gesetzgebung darauf aufgebaut ist, denn ohne Gesetze kann es keine (staatliche) Strafe geben und wenn keine angemessenen Hinweise oder Indizien auf ein schuldhaftes Verhalten hinweisen – auch keine Schuld …  
Aber was unsere Rechtsprechung anbelangt, halte ich mich zurück
a) weil ich keine Ahnung vom Aufbau der „Justiz“ im Allgemeinen habe und

b) weil ich um Willkür generell aus Erfahrung heraus einen riesen Bogen mache.
Weiterhin finde ich, dass das Paragraphenzeichen § wie ein Fleischerhaken ausschaut und da kann man gut das „Rechtsprechen“ auch mal falsch herum aufhängen – man denke nur an unsere politische Vergangenheit …

Den Begriff von Schuld im rechtlichen Sinne kann ich für mich nur wie folgt interpretieren:
Geltendes Recht wird verletzt, wenn ein Mensch oder mehrere ein Verbrechen, eine unmoralische Handlung wie z. B. einen Mord, Totschlag, Raub etc. ausüben.
Wo Menschen, die eine Fürsorgepflicht gegenüber Dritte haben sich ihrer Pflichten und ihrer Verantwortung verweigernd entziehen.

Ist Schuld hier nur ein augenblickliches Befinden zu dem Zeitpunkt als die Tat stattfand?
Was ist nach der Tat mit dem Schuld-Bewusstsein und dem sich schuldig fühlen?

Um ein Schuld-Bewusstsein zu besitzen, muss der Mensch wohl ein Gewissen besitzen.
Hier setzt mir mein Gewissen ganz klare Grenzen, welche ich durch meine Einsicht in meine moralische Verantwortung mir und allen Lebewesen (bis auf Obstfliegen, die hasse ich) gegenüber empfinde. Es gibt so etwas wie sittliche Normen in unserer Gesellschaft und gegen diese verstoße ich im moralischen Sinne nicht, weil sonst eine Strafe droht.
Sowas aber auch, hier sind Moral und rechtliche Schuld eng verbunden.
Ich trenne hier Schuldbewusstsein vom Rechtssinn her, ganz klar von empfundenen Schuldgefühlen im psychologischen Sinne.
Ich persönlich kenne keinen Therapeuten, der sich dem Thema der Schuld angenommen hätte, wohl aber dem Problem der Schuldgefühle. Freud z. B. ging davon aus, dass allen Religionen Schuldgefühle zu Grunde lägen. 
Zu den Schuldgefühlen komme ich später.

Schuld einzureden ist eine beliebte Methode von „Obrigkeiten“ wie Eltern, Lehrern, Priestern und Vorgesetzten“.
Ein „feines“ Spiel ist das, Angst zu machen und ein schlechtes Gewissen einzureden, das heißt ich soll vor dem, der (scheinbar) mehr Macht ausübt, Angst haben und in der „mächtigen“ Kirche, da soll ich Buße leisten.
Von meinem Verständnis her ist „Schuld einzureden“ ein prima Instrument der Macht und der Unterdrückung. Sünden gibt es schließlich genug und notfalls kann eine neue erfunden werden. (Das ist so ähnlich wie mit der Pharmaindustrie und den erfundenen Krankheiten, aber das ist ein anderes Thema.)
Es funktioniert ja auch schon Jahrtausende lang, immerhin sind Herrscher und die Kirche mit diesem System der Schuld reich geworden.
Das andere System heißt: Gewalt anwenden.
Dass die ausübenden Personen auch nur Opfer ihrer eigenen Handlungsweisen sind, kann leicht übersehen werden, denn auch ihnen wurde dieses Spiel immer wieder weitergebend vermittelt – ein Kreislauf ohne Ende?

Na prächtig, auch ich bin in diesem Spiel unwissend verfangen gewesen.
Erst eine jahrelange Auseinandersetzung mit dem Thema „Schuld“ und ich gebe zu, dabei die recht mühselige Arbeit an diesem Problem hat mich einsichtig werden lassen.
Mein Gehirn und meine Seele brauchten viel Zeit diesen Prozess
a) verstehend zu durchschauen, was andere im Verbund mit mir da wechselseitig so trieben,
b) das Machtinstrument Schuld komplett in Frage zu stellen und
c) alles auch seelisch fühlend spürend zu verarbeiten.
Schulderfahrungen können unser Selbstbewusstsein und das Gefühl der eigenen Ehre stark beschädigen,
wenn wir z. B. Schuldzuweisungen anderer als Selbstverfehlung interpretieren.

Kommen wir noch auf die Schuld im Sinne der Kirche zu sprechen.
In meine Erziehung flossen Werte und Thesen der evangelischen Kirchenlehre im klassischen Sinne der Erbsünde ergo Erbschuld mit ein. Unsere Familie ist vom Glauben her seit Jahrhunderten der protestantischen Kirche anhängig, daher verwundert es mich nicht sonderlich, dass ich an die ererbte, weitergegebene Schuld betreffend der Erbsünde glaube. Ich glaube, dass wir Menschen unbewusst das „Kreuz“ der Schuld bei der Geburt erhalten und immer weiter tragen – bis einer oder eine dies bewusst erkennt und in Frage stellt und damit auflösen kann …
Der christlichen Lehre nach betrifft die Schuld des Menschen seine Verfehlung gegen Gott und um dann frei von dieser Schuld zu sein, kann der Mensch dies nur allein durch seinen Glauben an die göttliche Gnade erreichen.
Solange diese vermeintliche Schuld nicht bewusst wahrgenommen wird und gefühlt wird, habe ich vom Glauben her keine Chance aus der Falle auszusteigen. Das tiefe Überzeugtsein meines gefühlten Glaubens wird immer stärker als jede Vernunft sein.

Viele Menschen aus der ehemaligen DDR wissen mit diesem Thema von Schuld meist nicht viel anzufangen, aber auch hier lauert die Gefahr des Unbewussten. Nur weil jahrzehntelang kein religiöser Glauben mit Schuld, Sühne und Strafe praktiziert wurde, heißt das nicht, dass hier nicht noch altes Familienerbe  unbewusst schlummernd sein Unwesen treiben könnte …

Ein Hoch auf den katholischen Glauben, die haben ihre Beichte und können sich mal locker von ihrer „Schuld“ im Alltag befreien.
Nur, was das „sich schuldig fühlen“ betrifft, sind sie weit vorne.
Wir können aus der Kirche austreten, sie leugnen, sie missachten oder es nicht wahr haben wollen, es hilft alles nichts – noch immer sitzen sie in unseren Zellen die alten religiösen Lehren und wir sind unbewusst verformt durch deren jahrhundertelange durchsetzende Prägung …

Schuldgefühle

Auch hier ist mal wieder Sigmund Freud ganz vorne:
Mit seiner Tiefenpsychologie wird das Schuldgefühl durch das „Über-Ich“ (Gewissen) ausgelöst und die sogenannten Schuldgefühle werden innerhalb kennzeichnender Lebensphasen in der Kindheit erworben.
Diese wiederum entstanden global gesehen aus den im Laufe der jeweiligen kulturellen Sozialisation erlernten und verinnerlichten Gesetzmäßigkeiten und Moralvorstellungen.

Ach was ist es schön, ich persönlich hatte als Kind wohl der Schuld ein zu viel an Gewicht gegeben und die Bedeutung komplett falsch interpretiert, zumal in meiner Elternfamilie oft unterschwellig mit Schuldzuweisungen agiert wurde.
Somit hatte ich bis zur erlösenden Auflösung meines Schuldthemas heftig mit entstehenden, sich selbst entwickelnden Schuldgefühlen zu kämpfen, ohne überhaupt zu wissen, dass dies Schuldgefühle waren, die mich da auf das heftigste plagten.
Konkret konnte ich diese unangenehmen Gefühle nicht mit dem Thema Schuld in Verbindung bringen.
In vielen Situationen und auch bei bestimmten Menschen hatte ich ein solch ekeliges Gefühl, welches ich unbewusst immer los werden wollte, weil es sich an ganz bestimmten Stellen auch mit Schmerzen im Körper bemerkbar machte und so wurde ich tatsächlich oft unbewusst zum „Blitzableiter“ anderer gemacht.
Die tatsächliche Herkunft meiner Schuldgefühle erkannte ich erst in der Arbeit mit und an mir selbst und ich habe gelernt viele Dinge mit Fragen und Antworten zu lösen. Nur ohne Körperarbeit hätte ich diesem Thema Schuld nicht so leicht beikommen können.
Gott sei es gedankt – heute rieche ich Schuldzuweiser (seufz, auch ich beherrsche das Spiel auch ganz gut) schon auf drei Kilometer Entfernung und durchschaue die perfiden Machtspielchen sehr schnell.
Alles eine Frage der Balance…
Ich habe das „sich schuldig fühlen“ gegen Eigen-Verantwortung eingetauscht und Schuldgefühle plagen mich schon lange nicht mehr.
Sollten sie mich dennoch einmal einholen – geht die Verarbeitung und Erledigung derselben nur über Bewusstseins-Arbeit und das Akzeptieren dessen, was ich gerade zu dem Zeitpunkt wahrnehme.
Ich habe ein ausgesprochen hohes Unrechtsbewusstsein, was sicherlich auch meiner Empathie zu verdanken ist.

Meine Lieben, es ist notwendig vieles im Leben zu hinterfragen.
Zum Beispiel Fehler zu machen, finde ich großartig, ich habe Zeit meines Lebens nie verstanden warum Fehlermachen mit Strafe geahndet wird. Meine Erfahrungen sind sicherlich auch einer Menge an Fehlern, die ich gemacht habe, zu verdanken.
Fehler zu vermeiden ist sicherlich großartig und wenn Ärzte, Steuerberater etc. am Werke sind, ist diese Fehlervermeidung für mich beruhigend und unerlässlich, aber Menschen machen nun einmal Fehler, allerdings sollten wir unserer Gesundheit zuliebe möglichst eine Fehlerwiederholung vermeiden…
Schuldgefühle sind dann angebracht, wenn es einen Hinweis auf eine tatsächlich geleistete Schuld gibt.

Zwei Fragen habe ich mir vor vielen Jahren gestellt, welche von Michael Löhner (Management & Führungskultur) aufgeschrieben wurden und an die halte ich mich sowohl in beruflichen als auch privaten Lebenssituationen:
Dabei dulde ich keinen Einzug von kontraproduktiven Schuldfragen, denn hier kläre ich meine eventuellen Versäumnisse und kreiere Neues…

Was will ich tun, um das Problem zu lösen?
Wie kann ich sicherstellen, dass es nicht wieder auftritt?

Lasst uns einfach gemeinsam aus den diversen Schuld-Spielchen immer öfter bewusster aussteigen und vollständiges Bewusstsein über „Schuld“ erlangen, das fühlt sich dann aber so was von einem aufatmenden, freien und Leichtigkeit verspürenden GUUUUT an.

Ok, ich gebe zu, auch mir gelingt dieses nicht immer, aber ich kann schon lange nicht mehr so tun als ob ich nicht wüsste, welche kleinen miesen Verhalten-Tricks ich so manches Mal an den Tag lege …
Was ich tue? Mein Humor ist mein stärkster Schutz-Begleiter und das über sich selbst lachen können, vor allem dazu zu stehen, wenn ich denn mal wieder in mein Missverhalten eintauche …

Der Beginn

Die Unverantwortlichkeit ist die Schwester der Schuld.
Unbekannt

 

Alles was er verstand, war sein Verstand,
aber noch längst nicht immer war es Vernunft.
Aber auch die Vernunft wurde noch vom Gewissen überprüft.
Doch da kam das Gefühl und setzte sich geschwind über alles hinweg.
Was übrig blieb, war dafür das Schuldgefühl.
© Erhard Blanck (*1942), deutscher Heilpraktiker, Schriftsteller und Maler

Die Handhabungen

Meist sind an Misserfolgen schuld:
zu wenig und zu viel Geduld!
© Andreas Tenzer (*1954), deutscher Philosoph und Pädagoge

 

Was folgen könnte…

 

Viele Menschen essen mit den schmackhaftesten
Ernährungssünden ihre lästigen Schuldgefühle einfach weg
© Helmut Glaßl (*1950), Thüringer Aphoristiker

 

noch eine beliebte Spielart der menschlichen Natur …

 

Viele Menschen machen sich Gewissensbisse wegen Dingen,
für die sie gar nichts können,
nur um andere, berechtigte Schuldgefühle zu verdrängen.
Unbekannt

 

Upps, die Folgerung folgt …

 

Ein Mann, der mir seinen Reichtum vor Augen führt,
ist wie ein Armer, der mir seine Armut zeigt;
beide erwarten Almosen.
Der Reiche das Almosen des Neids,
der Arme das Almosen des Schuldgefühls.
Unbekannt

Die Observanz – der Gebrauch

Ein gegebenes Versprechen ist eine unbezahlte Schuld.
William Shakespeare (1564 – 1616), englischer Dichter, Dramatiker

 

Wie wahr …

 

Ursache und Wirkung werfen einander die Schuld vor.
© Manfred Hinrich (1926 – 2015), Dr. phil., deutscher Philosoph

A und O – Epochal

Die Mutter der Tiefe heißt: Schuld.
Christian Morgenstern (1871 – 1914), deutscher Schriftsteller, Quelle: »Stufen. Eine Entwicklung in Aphorismen und Tagebuch-Notizen«, R. Pieper & Co. Verlag München 1922

 

Wären wir frei ohne Schuld und Schuldgefühle?

 

Die tibetische Sprache kennt keinen Begriff für »Schuld«.
© Dalai Lama (*1935), (Das Lächeln des Himmels), eigentlich Tenzin Gyatso, 14. geistiges und politisches Oberhaupt der Tibeter, wurde 1989 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. (Wiedergabe mit freundlicher Erlaubnis Seiner Heiligkeit)

Des Nachdenkens Ende

Schuld stirbt in Vergebung oder tötet.
© Manfred Hinrich (1926 – 2015), Dr. phil., deutscher Philosoph

 

Und vergib uns unsere Schuld,
wie wir uns unsere Schuld vergeben.
© Arthur Feldmann (1926 – 2012), Studienrat und Schriftsteller, Quelle: »Kurznachrichten aus der Mördergrube oder Die große Modeschau der nackten Könige«, edition scaneg, München 1993

Wer Lösungs-Strategien in Sachen Schuldgefühle sucht, dem empfehle ich dieses Buch zu lesen,um aus den eigenen Gedankenfallen auszusteigen. Mir persönlich hat das Buch viele Denkanstöße vermittelt…

Wenn Schuldgefühle zur Qual werden
Selbstvorwürfe ablegen, sich verzeihen lernen
Taschenbuch – 1. Januar 2003
von Doris Wolf (Autor)

Ich wünsche euch
eine traumhaft schöne Woche ohne „Schuldsprüche“
weder von eurer – noch von einer anderen Seite aus –
erlaubt es euch Fehler machen zu dürfen und genießt es
herzlichst eure Ute Weiss-Ding