Kontemplation


20-wo-15-kontemplation rahmen

Das Wochentipp – Thema:
Kontemplation
contemplari – betrachten

Durch Meditation über die wahre Natur des Geistes reinigen wir störende Gedanken und Gefühle.
© Dalai Lama (*1935), (Das Lächeln des Himmels), 14. geistiges und politisches Oberhaupt der Tibeter

Duden – Kontemplation
    (bildungssprachlich) konzentriert-beschauliches Nachdenken und geistiges Sichversenken in etwas
    (Religion) innere Sammlung und religiöse Betrachtung; Versenkung
Vom lateinischen contemplari  –  betrachten

„Ich fahre eine Woche nach Lissabon“, meinte mein Schwager so ganz nebenbei im Gespräch. „Fährst du mit“, fragte ich meine Schwägerin.
„Nein, ich fahre wieder ins Kloster, Energie tanken“, sprach sie und lächelte…
Stille, Konzentration, Geborgenheit, das waren die Begrifflichkeiten, die mir spontan dazu einfielen und außerdem wäre es ein prima Wochentipp-Thema.

Für meine Schwägerin bedeutet das Kloster kein Rückzug aus der Welt, sondern eine Einkehr hin zu sich selbst, also sich wieder mehr ihrer eigenen Kraft zu besinnen.
Offenbar bietet sich hier mit dem kontemplativen, klösterlichen Weg die Möglichkeit aus dem alltäglichen Leben mit all seiner Beliebigkeit heraus zu treten, hin zu einer neuen zu spürenden Lebendigkeit.

Durch die gelebten klösterlichen Werte wie etwa Demut, Enthaltsamkeit und sicherlich auch Schweigen in der Gemeinschaft, das bewusste wachsame Maßhalten und auch Rituale, wie z. B. Gottesdienste mit ihren festgelegten Abläufen zu festen, sich wiederholenden Zeiten, gelingt es immer mehr Menschen ein persönliches Maß von innerem Frieden mit sinnerfüllter Besonnenheit und Gelassenheit zu erlangen.

Unser schnelllebiger und ruheloser Alltag wird bestimmt durch endlose Herausforderungen und Aufgaben.
Ruhe und innere Harmonie zu finden, still zu werden, vor allem Stille auch aushalten zu können, kann einen sehr schnell überfordern.  Eindrücke, Erlebnisse und Begegnungen rauschen permanent an einem vorbei, kaum Zeit etwas wirklich bewusst und besonnen wahrzunehmen.
Wo bleibt die Muße etwas bedachtsam zu betrachten, Erfahrungen als sinnstiftend bewusst zu erfahren? Dafür brauchen wir eine „Einwirk-Zeit“, um die Erfahrung überhaupt geistig verarbeiten zu können. Unser Gehirn braucht halt Momente, um sich besinnen zu können.
Hinzu kommen meine Gedanken. In welchem Kontext steht dieses Denken dann zu meinen inneren Glaubensgrundsätzen? Ich will verstehen, fühlen und spüren, ich will es einfacher und verständlicher haben in meinem Leben …

Viele wünschen sich Einfachheit, die Sehnsucht nach dem tieferen Sinn im Leben und spirituellen Erfahrungen, überhaupt mehr Tiefe im Leben, heraus aus der Oberflächlichkeit dieser unverbindlichen uns umgebenen „Scheinwelt“.  
Nur genau diese Plattheit in unser aller Leben ist zurzeit zum Lebensgefühl geworden voll mit all seinen inhaltslosen Götzen der Schönheit und Tributen der Grausamkeit.

Eines im Leben ist auf jeden Fall gerecht, wir werden – so Gott will – alle altern.
Für das Äußere schnell mal „Botox-to-go“, und innerlich wird alles negiert, was mal so eben nicht in meinen Lebensentwurf passt.
Schade – a) wir haben keine Chance dem Altern zu entrinnen und b) ich kann machen was ich will, ergrauen ist nur etwas für starke Menschen, die gewillt sind, sich und ihre Umwelt bewusst wahrzunehmen.
Der Weg zu sich selbst und somit nach der eigenen Spiritualität beginnt mit dem Schritt sich selbst kennenlernen zu wollen …

Zum besseren Verständnis:

Spiritualität (Geistiges aller Art) bedeutet für mich die bewusste „Arbeit“, auch Auseinandersetzung meiner Selbstverwirklichung in diesem Leben, den Sinnfragen nachzuspüren, den inneren Werten zu folgen, meine Existenz als solches auf dieser Erde bewusst zu ergründen, das Sein aller Lebewesen und dem, was sich alles auf unseren Planeten befindet, verbunden zu fühlen.
Ganz klar ausgerichtet bin ich mit meiner Gesinnung mit meinem Glauben an Gott (mag es ein jeder nennen wie er mag, es ist eh alles für mich die gleiche Energie – Allah, Jehova, Manitu, Universum, Energie, Buddha usw.).
Ich persönlich habe keine Animositäten zu der Begrifflichkeit „Gott“ als Namensgeber, was auch sicherlich durch meine evangelisch geprägte Erziehung beeinflusst wurde. ABER – keine Bedeutung hat für mich im konfessionellen Sinne das, was die Kirche als solches im Außen repräsentiert.

Liebe zu ALLEM WAS IST zu spüren, weil ALLES Göttlich ist, das bedeutet für mich spirituell zu leben.

Mein Preis, den ich zahle heißt: mich lernend und übend einzubringen.
Mein Lohn: Selbsterkenntnis und „Ich bin“.
Der Erleuchtung ist es eh piepsschnurz egal wann, wo, wie mit was sie einen „erleuchtend einsichtig erhellt“…
Möge ein jeder sich seinem Begriff oder seiner Göttlichkeit namentlich hinwenden – jeder wie er mag und es vermag!

Ab hier wende ich mich der Kontemplation zu, diese ist nicht nur eine Hinduistische und Buddhistische Weisheit, auch in unserer westlich christlichen Tradition wurden praktische Übungen kreiert um das „Wesen jenseits aller Formen“ (Meister Eckhart) zu erreichen.
Leider Gottes ist diese „Einfachheit im Sein“ bedauerlicherweise instantmäßig, einfach so – so einfach, konsumierend nicht erhältlich oder gar mal auf die Schnelle zu erlernen.

Da mich in den 70ern meine diffuse, treibende Sehnsucht nach Erkenntnissen und Wissen hin zu den buddhistischen Weisheiten trieb, habe ich schnell bemerkt, dass dies kein Weg der Schnelligkeit ist, sondern ein sehr pragmatischer bodenständiger Weg hinführend zu Lebens-Einsichten, der da heißt lernen, üben, machen, an sich arbeiten …
Wer spirituelle Erfahrungen sucht, für den ist Kontemplation ein Weg, den ich gerne mit „sich schweigend in mich selbst versenken, ich bin ich – hin zum – ich bin“ bezeichne.
Absichtsloses fließendes Denken, Gedankenfetzen ohne Beachtung, alles strömt, alles ist ok – nach vielem Üben – Leere im Kopf – das Denken hört auf – kein Zeit- und Raumgefühl – frei von Absichten, Wünschen und Zielen – nur noch das Gefühl der Leichtigkeit, das „ich bin“ im Zustand von schweben oder getragen werden. Ein wahrlich köstlicher Lohn …

Meine Lieben, Kontemplation ist mehr als nur zur Ruhe zu kommen, es ist das absichtslose Entleeren meiner Gedanken und meiner aufsteigenden Bilder.
Kontemplation wird auch als „das Gebet des Schweigens“ betitelt.
Tiefenmeditation heißt Vertrauen zu haben, sich fallenzulassen und eins mit dem Ursein (bei mir göttliches Sein) zu werden, um sich im tiefsten Sinne bewusst erlebend zu durchschauen.

Diese Erfahrung wird und kann nicht willentlich herbeigeführt werden, aber durch Übung von kontemplativer Meditation sehr wohl erfahren werden. Es gibt zwei Wege sich der Kontemplation hinzuwenden.
1.)    Der Suchende findet eine/n erfahrene/n Meditationslehrer/in und folgt dann deren Tradition, seinen/ihren Erfahrungen und Anweisungen.
Das habe ich persönlich als erstes gemacht um dann –
2.)    mich weiterhin alleine auf den Weg zu machen. Ich persönlich wollte auf dem Weg mein „Ego, mein altes, alltägliches Ich“ kennenlernen und integrieren, hin zum „Ich bin Ich“ und dann weiter zum „Ich bin“.
Dieser Weg ist das Ziel – Erkenne dich in der Bewusstwerdung. Klingt einfach und erfordert als Preis Disziplin und Selbstliebe. Diese Einfachheit oder Leichtigkeit im Sein zu erlangen ist (m)ein Lebens-Spiel.

Es schaut bei fast jedem so aus, als wäre er von außen betrachtet ein fest angelegtes ICH. Wir definieren uns über unsere Handlungsweisen, unsere Muster und Mechanismen, die wir bei unseren Reaktionen anwenden und glauben, dass das unser wirkliches ICH ist. Wer sich auf den Weg macht, stellt fest, dass es Wachstumsprozesse sind, die uns dann ständig und stetig begleiten und wir dürfen immer wieder auf ein Neues eine neue Identifikation unseres unbekannten Ichs suchen und finden, aber auch das Neue Ich wird nie endgültig sein …

Ich liebe Kontemplation im Sinne von – das Schauen in das innere Selbst –
Macht euch auf, fangt an den Weg zu eurem wahren Selbst zu beschreiten – denn das fühlt sich dann einfach so was von einem „contemplari“, einen besinnlichen, sich reinigendem GUUUUT an.

Der Ausgangspunkt

Das Leben ist eine unfreiwillige Reise, ein Experiment.
Eine Reise des Geistes durch die Materie,
und da der Geist der Reisende ist, reist man im Geiste.
Auf diese Weise hat so manche Seele in der Kontemplation intensiver, extensiver und stürmischer gelebt
als andere in der äußeren Welt.
Fernando Antonio Nogueira de Seabra Pessoa (1888 – 1935), portugiesischer Schriftsteller, Quelle: »Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares«, Erstveröffentlichung 1982

Der Weg

Wie Regen ein Haus mit schwachem Dach durchflutet,
So brechen Sehnsüchte in den Geist ein,
Der keine Meditation praktiziert.
(13. Vers)

 

Und sowie kein Regen in ein Haus mit starkem Dach eindringen kann,
so können keine Begierden in einen Geist einbrechen,
der gute Meditation praktiziert.
(14. Vers)
Dhammapada »Pfad der Lehre«; das am häufigsten übersetzte buddhistische Buch, es enthält 423 Sprüche ethischen Inhalts und ist Teil des 2. Korbes des Pâli-Kanon, der Heiligen Schrift der Buddhisten

Das Machen

Wäre das Wort ›Danke‹ das einzige Gebet,
das du je sprichst, so würde es genügen.
Meister Eckhart (1260 – 1327), deutscher Mystiker und Provinzial der Dominikaner, starb unter der Anklage der Ketzerei

Irrtum –  ein sowohl als auch

Kunst ist Tat, nicht Kontemplation.
Stanislaw Witkiewicz (1851 – 1915), polnischer Aphoristiker

Der Abschluss

Wenn man Ruhe braucht,
um Kontemplation in der Stille zu finden,
erneuert sich die Seele.

 

Neue Farben im Regenbogen des Geistes entstehen.

 

Die Seele findet Kontemplation in der Ruhe,
die keine Stille mehr braucht.
© Silke Vossenkaul (*1983), freie Journalistin, Aphoristikerin

Ich wünsche euch
viele kontemplative Augenblicke in dieser Woche
genießt einfach mal eine neue Seite in eurem Sein
herzlichst eure Ute Weiss-Ding