Augenstern – Augenweide – Augenschmaus


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Das Wochentipp – Thema:
– Augenstern –
– Augenweide – Augenschmaus –

Laut Duden bedeutet:
Augenweide
ein  sehr schöner, ästhetischer Anblick, den etwas oder jemand bietet
Augenstern familiär Liebling, dichterisch Pupille
Augenschmaus ein besonders erfreulicher Anblick

Diese Wort-Fassungen sind nicht mehr im Trend und daher dem Aussterben preisgegeben… 
Ich plädiere daher für das „Reanimieren“ dieser  aus der Mode gekommenen  Ausdrücke!

Da saß ich und blätterte in meinem Buch „dem großen Lexikon der bedrohten Wörter“.
Oh, welch Jammer, ich bin zutiefst erschüttert, denn was las ich da, die Augenweide und der Augenstern, zwei Lieblingswörter von mir – ihnen droht schlicht weg – Vergessenheit.
Oh du gräuliches Grauen, sie werden einfach so – so einfach dahinschwinden – in das schwärzliche Nirwana des Nichts – und grausam verlöschen …
Wieso ich solch eine Banalität meines höchst persönlichen traumatischen Schocks einen gaaaanzen Wochentipp widme und den auch noch euch thematisch zumute, wollt ihr wissen?
Na, weil ich dies so abscheulich grässlich traurig finde und um dies gleich mal klar zu stellen:

Geteiltes Leid ist halbes Leid … Ergo, ich schreibe darüber und erleide somit kein Trauma und da ihr, wie ich mal annehmen darf, nicht mitleidet sondern Mitgefühl besitzt, brauche ich mir um euer Leid keine Gedanken zu machen …
„Ütchen, mein Augenstern wie geht es dir?“
Fröhlich zwitschernd beginnen so zehn von zehn Anrufen meiner liebsten Freundin Chrissi.
Ich liebe diese Art von Begrüßung und wäre wenig erfreut, sollte sie den „Augenstern“ jemals weglassen oder mich womöglich „denglisch“ begrüßen, weil dies dann hipper ist. Eine schauerliche Vorstellung meinerseits, wenn stattdessen plötzlich „Ütchen, my shining star“ dann flötend meine Ohren erreichen würde.
Abgesehen davon begeistern mich solche Beschreibungen wie s. o. – Augenschmaus, Augenstern oder Augenweide, welche bei mir so herrlich bildliche Assoziationen wecken. Diese Worte setzen bei mir sofort Bilder in meinem Kopf frei und da wir in Bildern denken, waren und sind solche Worte sinnlich sinnig unterstützend für mein Hirn. 

Welch eine lustige frohsinnige Betrachtung:

  •  Meine Augen weiden sich an einem herrlichen gebundenen Strauß voll bunter duftender Blumen, eine wahre Augenweide – oder?
  • beim Augenstern – du bist für mich mein leuchtender Stern, selbstverständlich sinnbildlich betrachtet …
  • Ich kann noch besser: oh, was für ein Augenschmaus!
    Liebkosend betrachten meine Augen, die da vor mir liegenden kleinen, unschuldigen, schokoladigen, köstlichen Bacettos … Ok, der Augenschmaus ist hier schnell vorbei, denn Happs und schon ist alles dahin –  plumps, ab auf die Hüfte, aber … hm – die kann ja auch ein Augenschmaus sein oder … 

Irgendwann – Irgendwo, so denke ich,  haben wir alle sicherlich schon einmal diese Ausdrucksweisen, in welchem charmanten Zusammenhang auch immer, vernommen und vergessen, da diese einfach herrlich altmodisch klingen und fast keiner mehr so redet.
Da ich mich für aussterbende Wörter der deutschen Sprache interessiere, hat es mich schon arg verwundert, dass sich der von mir so geliebte Augenstern auch darunter befindet.
Ich habe noch nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich die deutsche Sprache in ihrer Vielfalt an „bildhafter“ Ausdruckskraft von Worten recht beeindruckend finde.  Ich verstehe gar nicht – wieso solche schönen deutschen Wörter irgendwann einmal aufhören sollten zu existieren.
Auch bin ich immer wieder darüber betrübt, ob der merkwürdigen Einflüsse der englischen Sprachkunst in unserer deutschen Ausdrucksweise.
Z. B.: siehe Agentur für Arbeit: „Jobcenter“ statt dem ehemaligen Begriff „Arbeitsamt“. Ok, Arbeitsamt ist sicherlich auch kein so tolles Wort, nur hat es das, was dort betrieben wird, sicherlich nicht schlechter ausgedrückt.

Zumal im „Jobcenter“ wie es jetzt so schön neu-deutsch heißt, sich die „Arbeitslosmeldenden“ nur in Deutsch mit den dort ansässigen Mitarbeitern sprechen dürfen – was für ein Hohn, denn weder Job noch Center sind im Ursprung Wörter der deutschen Sprachkultur … 

Meine Lieben, keine Angst, den Meetingpoint erspare ich euch, es kommen keine weiteren Beispiele mehr.
Besser wir schaffen es durch Achtsamkeit im sprachlichen Ausdruck uns selbst treu zu bleiben, unseren eigenen Überzeugungen folglich sprachlich Raum zu gewähren und dem gesprochenen Wort entsprechend Taten folgen zu lassen.
Und dann haben so schöne altertümliche Bezeichnungen wie Augenweide, Augenstern und Augenschmaus eine ganz besondere Interpretation des herzlichen Miteinanders in der Kommunikation und das fühlt sich für jeden von uns einfach sowas von einem sprachlich gefühlten zärtlich liebevollen GUUUUT an.   

Augenweide 

Die Liebe kann dem Geist nur Augenweide sein,
wenn sie eine angemessene Augenweite mitbringt.
© Peter Rudl (*1966), deutscher Aphoristiker 

Augenstern 

Manchmal dreht sich die Welt nicht um die Sonne,
sondern nur um einen Augenstern.
© Ernst Ferstl (*1955), österreichischer Lehrer, Dichter und Aphoristiker, Quelle: »Zusätze«, Universitätsverlag Dr. N. Brockmeyer, Bochum, 2012 

Augenschmaus 

Ich zahlte dann mein Lammkotelett,
verließ das exzellente Haus,
die Mittagszeit war äußerst nett,
mit einem Wort – ein Augenschmaus.
© Horst Rehmann (*1943), deutscher Publizist, Maler, Schriftsteller und Kinderbuchautor, Quelle: Beim Griechen 

Was passieren kann, wenn bedrohte Worte – verschwinden … 

Derjenige handelt sehr unfreundschaftlich gegen mich,
der mir meinen Mangel zeigt,
ohne mir zugleich die Mittel zu zeigen,
wie ich meinen Mangel ersetzen könne;
der mich zum Gefühl meiner Bedürfnisse bringt,
ohne mich in den Stand zu setzen, sie zu befriedigen.
Hätte er mich lieber in meiner tierischen Unwissenheit gelassen!
Johann Gottlieb Fichte, 1762-1814 deutscher Erzieher und Philosoph,  Quelle: Über die Bestimmung des Gelehrten

Ach Goethe, wie immer auf den Punkt 

Keiner versteht den anderen ganz,
weil keiner bei demselben Wort genau dasselbe denkt wie der andere.
Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832 deutscher Dichter

 Bodo Mrozek: Das große Lexikon der bedrohten Wörter.
Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2008.
http://www.bedrohte-woerter.de/

Ich wünsche euch
jeweils eine Augenweide, einen Augenstern und einen Augenschmaus
in dieser Woche für euch  zu finden und dieses bewusst zu genießen
in diesem Sinne schließe ich diesen „Wochengruß“
herzlichst eure Ute Weiss-Ding