Aristophanes‘ Gleichnis – Der Kugelmensch, Liebe und Eros


32. Wochentipp – Thema
Einfach so – (zeitlos) so einfach
Platons Gastmahl –
ein Symposion dem Philosophischen-Thema „Eros“
der Form starken Begehrens und Verlangens gewidmet

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Das Männliche stammte ursprünglich von der Sonne,
das Weibliche von der Erde, das Doppelgeschlecht vom Mond,
da auch der Mond an beiden teilhat
Aristophanes (um 450 – 385 v.Chr.), griechischer Lustspieldichter

 

Nun freilich starren Sinnes zu behaupten,
dass das, was ich gesprochen habe,
auch unbedingte Wahrheit sei,
das schickt sich nicht für einen, der zu denken pflegt.
Platon (427 – 348 od. 347 v. Chr.), lateinisch Plato, griechischer Philosoph, Begründer der abendländischen Philosophie und Schüler von Sokrates, Quelle: Platon, Phaidon. 114d

 

Hast du deine Meinung schon durch die drei Siebe gegossen:
jenes der Wahrheit, jenes der Güte, jenes der Notwendigkeit?
Sokrates (470 – 399 v. Chr.), griechischer Philosoph

Der Dichter und Philosoph Platon traf sich mit seinem Lehrer Sokrates und mehreren Philosophen-Freunden regelmäßig zu einem gemeinsamen, geselligen Trinkgelage. In diesem Symposion wurde ein bestimmtes Thema, welches aus einem früheren, mehr als ein Jahrzehnt zurückliegenden Gastmahl stammte und als verfasstes Werk vorlag in Dialogform vorgetragen.

An einem der Treffen ward das Symposion dem Thema „Eros“ gewidmet.
Bei diesem Symposion diente der von Platon erfundene Mythos des Liebesgottes Eros als Themen-Vorlage und hier wollte man dem Grund für die Entstehung des erotischen Begehrens aufspürend nachgehen.
Platon ließ in seinem fiktiven, literarischen Dialog den Komödiendichter Aristophanes die Geschichte von den mythischen Wesen der Antike – den Kugelmenschen – erzählen.

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Vorab wurden schon prächtig zwischen den Dichtern und Philosophen die Meinungen ausgetauscht, was wohl das Wesen „Eros“ ausmache.
Hierzu eine kleine Meinungs-Auswahl – wer mag, kann Platons Symposion mit der Rede Aristophanes, ein paar lohnenswerte Seiten im Original als PDF-Datei, unten selbst nach lesen.

Phaidos meinte: Eros sei eine der drei Urkräfte – als erstes entstand das Chaos, als zweites die Erde und als drittes die dynamische Kraft Namens Eros, welche das sich drehende, dichte geheimnisvolle Chaos und die materielle, geordnete Erde verbindet.
Pausanias vertrat die Homerische Fassung von Eros. Auf der einen Seite die körperliche, sinnliche, „gewöhnliche“ Liebe und als Gegenpol die geistige, unberührte, die heute sogenannte „platonische“ Liebe, ohne den körperlichen Bezug zur Vereinigung.
Der Philosoph Sokrates erzählte, wie er von der weisen Frau Diotima  die Belehrung über den Eros empfing – (Diotima steht traditionell für eine Frau, die in der Lage ist, auf erotischem Gebiet ein philosophisch untermauertes Wissen zu vermitteln).

Sokrates meinte, dass demnach Eros ein Wesen zwischen Mensch und Gott darstelle – ein Daimonion – und dies wäre in jedem Menschen als ein Teil der Seele zu finden, welches den Menschen über das Menschliche hinaus als Kraft des lustvollen Begehrens hin zum Göttlichen führe.
Platon meinte, Eros sei Liebe, welche als eine allgemeine, ewige Idee zu betrachten sei.
Der Komödiendichter Aristophanes gab ein Gleichnis zum Besten, in dem er zu seiner vertretenen These eine Geschichte Platons erzählte: Aristophanes Ansicht nach, war Eros die Kraft, welche die Sehnsucht zwischen den Menschen darstellte.

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So berichtete Aristophanes über den Mythos von dem Wesen der „Mannweiber“, auch „Kugelmenschen“ genannt, welche sowohl männlich als auch weiblich waren.
Demnach war die menschliche Natur ursprünglich rund: Die Menschen hatten kugelförmige Körper, mit vier Händen und Füßen und zwei Gesichter die in entgegengesetzte Richtungen blickten, mit je zwei Ohren auf einem Kopf, den ein kreisrunder Hals trug. Mit ihren acht Gliedmaßen konnten sich die Kugelmenschen aufrecht und auch Rad schlagend sehr schnell fortbewegen
Es gab drei Geschlechter: Manche Kugelmenschen waren rein männlich, andere rein weiblich, wiederum andere hatten eine männliche und eine weibliche Hälfte. Die rein männlichen stammten ursprünglich von der Sonne ab, die rein weiblichen von der Erde, die zweigeschlechtlichen vom Mond.
Über gigantische Kraft und Kühnheit verfügten die Kugelmenschen und daher wollten sie in ihrem Über-Mut sich einen Weg zum Himmel hin zu den Göttern bahnen, welche sie gedachten anzugreifen.

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Gottvater Zeus beriet sich derweil mit den anderen Göttern. Sie wollten alle das Menschengeschlecht nur schwächen, da sie die Ovationen der Ehre und ihre Opfergaben gerne hatten und behalten wollten.
Zeus befand, dass man die Kugelmenschen in zwei Hälften zerschneiden solle.

Aus heutiger Sicht heraus, musste Zeus ein Vollblut-Kapitalist gewesen sein, denn er fand es sehr reizvoll das sich mit der Zerteilung auch die Anzahl der Menschen verdoppele und daher auch ihre Opfergaben für die Götter.
Sollte es den zweigeteilten Menschen dennoch weiterhin danach gelüsten es den Göttern machtvoll gleich tun zu wollen, so plante Zeus sie nochmals zu zerteilen, auf dass sie nur noch auf einem Bein hüpfen könnten.

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Dem Gott Apollon (Gott des Lichts, der Heilung, des Frühlings, der sittlichen Reinheit und Mäßigung) erteilte er den Auftrag die Gesichter hin zur heutigen Bauchseite zu wenden, die Wunden zu schließen, indem er die Haut hin zum Nabel strafte und dort zusammenband. Dafür ließ er am Nabel  Falten zur Erinnerung an die Teilung zurück.  Die Geschlechtsteile blieben auf der Rückseite.
Die zweibeinigen neuen Menschen litten schwer unter der Trennung und umschlangen sich in der Hoffnung wieder zusammenwachsen zu können, um so wieder in ihre Einheit zurück zu kehren. Sie kümmerten sich um nichts mehr, außer um das Sich-Zu-Umschlingen und so verhungerten sie langsam.
Zeus sorgte schleunigst dafür, dass die Geschlechtsorgane nach vorne versetzt wurden, damit die Menschen nicht ganz ausstarben und auch ihr sehnsuchtsvolles Einheitsbedürfnis durch die sexuelle Vereinigung vorübergehend dann befriedigt war. Gedacht, gesagt – getan, und so wurden die Menschen wieder lebenstauglich und konnten sich fortpflanzen.

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Aber die Sehnsucht nach der verlorenen Ganzheit zeigte sich weiterhin in der Gestalt des erotischen Begehrens, mit dem einen Ziel – sich zu vereinigen.
Weiterhin litten sie unter ihrem Mangel der Unvollständigkeit und jeder suchte weiter nach seiner verlorenen ihn ergänzenden Teilung.
Die unterschiedlichen sexuellen Orientierungen erklärten sich somit aus Platon-Aristophanes‘ Geschichte von selbst heraus, denn wonach sie ursprünglich ehemals geschlechtsmäßig als Kugelmensch mit ihrer doppelt-männlichen, doppelt-weiblichen oder einer männlich-weiblichen Hälfte hingehörten, so wiesen danach die getrennten zweibeinigen Hälften jetzt eine heterosexuelle oder homosexuelle Veranlagung auf.
Aristophanes Meinung zu extrem, intensiven erotischen Beziehungen war, dass sich zwei Hälften eines Kugelmenschen wiedergefunden hätten und so eine Neubelebung hin zu ihrem Urzustand durch die Vereinigung der sexuellen Verschmelzung anstrebten.
Dieser Drang der zwei Hälften, sich zu vereinen, wird als Liebe (erôs) bezeichnet.
Nach Aristophanes Auslegung wäre dies möglich, wenn sich die Menschen mit Hilfe ihrer Ergebenheit den Göttern gegenüber, diese sich zu Freunden machen würden. So bestände die Hoffnung, dass die Menschen wieder in ihre ganzheitliche Natur der Kugelmenschen gelangen könnten.
Laut Aristophanes kann so die Heilung und Glückseligkeit für die Menschheit durch das Auffinden der jeweils fehlenden, zugehörigen Hälfte erfolgen.
Diese zueinander gefundenen, sich liebenden Menschen, bleiben dann nach Aristophanes Erklärung ein Leben lang zusammen. Doch keiner der Beiden könnte klar sagen, was sie wirklich voneinander wirklich wollen.
Hier bietet das sexuelle Vergnügen keine Erklärung für dieses „leiden-schaftliche“ Sich-An-Einander-Gebunden-Sein-Fühlen. Beide Seelen erstreben das rätselhafte Unnennbare.
Der Kugelmensch, die verbundene Einheit, die im und nach dem Tode unzertrennbar ist – vielleicht ist das, das Ziel. 

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Meine Lieben, hier endet die Geschichte des Kugelmenschen und ihr dürft für euch frohsinnig darüber nachsinnen, welche Hälfte ihr in eurem Leben schon zum Verweilen eingeladen habt oder welche ihr noch sucht.
Ich persönlich glaube ja, dass Eros dieser Schlingel mit seiner begehrlichen Liebeslust uns nur glauben machen will, dass wir das uns Fehlende nur im Anderen finden können, denn welche Berechtigung hat er sonst, als die der Fortpflanzung und da würde Zeus ja wieder jubeln, da er mehr „Opfergaben“ bekäme.
Eine spannendes Thema diese Kugelmenschen mit Eros und Liebe im Verbund.
Ich vereinfache es einfach mal so – so einfach:

Eins und Eins gleich Liebe – Mythos – Eros und nach Aristophanes ist Eros nichts anderes als die mächtig Kraft der Anziehung zwischen zwei Menschen. Ich wünsche mir nun für uns alle die sehnsüchtig ersehnende fehlende Hälfte von was auch immer in oder bei uns selbst bewusst zu finden und das, glaube ich, fühlt sich dann aber so was von einem gefühlvollen, einheitlichen, zärtlichen und innigen GUUUUT in unserem Leben an.

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Liebe

 

Mit dem Herzen säen,
mit Gefühlen pflegen,
mit Verständnis wachsen lassen.
Daraus Liebe ernten.
© Edith Linvers (*1940), deutsche Schriftstellerin und Aphoristikerin, Quelle: »Schatten länger als wir«

 

Leben – Lernen – Liebe

 

Leben heißt lernen,
dass wir uns Zeit nehmen müssen,
wenn wir welche haben wollen;
dass wir verantwortlich sind
für Gedachtes und Nichtgedachtes,
Gesagtes und Nichtgesagtes,
Getanes und Nichtgetanes;
dass der Sinn des Lebens
darin liegt, immer die Liebe
und das Leben im Sinn zu haben.

 

Leben heißt lernen,
dass es nicht darauf ankommt,
ob wir uns etwas schenken,
sondern darauf, ob wir imstande sind,
uns gegenseitig etwas zu geben;
dass das Wesen des Lebens
die Veränderung ist;
dass wir Liebe säen müssen,
wenn wir Liebe ernten wollen.

 

Leben heißt lernen,
die Kunst der Gelassenheit auszuüben:
das Weglassen, das Zulassen,
das Loslassen;
dass die schwierigste Aufgabe
unseres Lebens darin besteht,
nie aufzugeben;
dass unser Mensch-Sein untrennbar
mit dem Mensch-Werden verbunden ist.
© Ernst Ferstl (*1955), österreichischer Lehrer, Dichter und Aphoristiker

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Symposion – oder das Gastmahl der Liebe die Original-Geschichte: Rede des Aristophanes (Der Kugelmensch)
PDF Platon, Symposion (189c2-193d5)   32. Wochentipp_ Gastmahl- Platon Sympsion- Kugelmensch

Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Diotima
https://de.wikipedia.org/wiki/Kugelmenschen
http://www.die-goetter.de/

Bilder: Arthur Bowen-Davies 1863-1928, amerikanischer Maler des Symbolismus

Ich wünsche euch, dass ihr eure persönliche Einheit im Leben
genussvoll spürend in eurem Leben genießen könnt
herzlichst eure Ute Weiss-Ding